"Falsches Signal"

Polit-Streit um Impfpflicht-Aus

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Das von der Regierung bekannt gegebene Aussetzen der Impfpflicht stößt innerhalb der ÖVP auf eine erste kritische Stimme 

Während ÖVP-Landeshauptleute den Schritt etwas zurückhaltend, aber positiv kommentierten, sprach Vorarlbergs ÖVP-Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher am Mittwoch von einem "falschen Signal". Scharfe Kritik äußerte die Opposition. Der FPÖ geht der Schritt nicht weit genug, SPÖ und NEOS warnten vor einem neuerlichen Verschlafen des Sommers.

"Falsches Signal"

Kritisch zu dem von der ÖVP-Grünen-Koalition beschlossenen Vorgehen äußerte sich die Vorarlberger ÖVP-Landesrätin Rüscher: "Das ist das falsche Signal, denn damit wird der Bevölkerung vermittelt, dass die Impfung per se nicht hilft. Tatsächlich ist und bleibt sie aber der Weg, um letztlich die Pandemie zu überwinden."

Sie sähe eine Verschiebung von Bestrafungen als noch vertretbar an, nicht aber das gänzliche Aussetzen, sagte sie in einem Statement zur APA. "So wird es extrem schwer werden, in drei Monaten wieder das nötige Bewusstsein zu schaffen, dass die Impfung doch Sinn macht, und die Menschen dafür zu motivieren. Die Belagszahlen in den Krankenhäusern werden diese Notwendigkeit voraussichtlich erst im Herbst sichtbar machen. Dann ist es aber zu spät, um zu reagieren", so Rüscher.

Zurückhaltung

Aus den ÖVP-Bundesländern kamen ansonsten zurückhaltend positive Wortmeldungen. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), der sich schon lange und als einer der ersten für eine Impfpflicht eingesetzt hatte, sagte in einer ersten Reaktion: "Mit der Abschaffung praktisch aller Maßnahmen per 5. März war die Impfpflicht, die sowieso ein Jahr zu spät kam, obsolet geworden. Der Bericht der Experten-Kommission liegt nun vor und diesen gilt es zu akzeptieren und umzusetzen."

Ähnlich äußerte sich Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): "Die Empfehlung liegt nun da und ist es gut, diesem Rat der Wissenschafterinnen und Wissenschafter zu folgen." Sie betonte erneut, dass sie von Anfang an gesagt habe: Sollte die Wissenschaft zu neuen Erkenntnissen kommen, dass es die Impfpflicht nicht mehr braucht, "bin ich die erste, die sich dafür einsetzt, dass die Impfpflicht ausgesetzt wird".

Oberösterreichs Gesundheitslandesrätin LHStv. Christine Haberlander (ÖVP) bezeichnete die Empfehlung der Expertenkommission, "dann zu impfen, wenn die Wirkung am größten ist", als nachvollziehbar. "Ich begrüße es daher, dass an der Impfpflicht festgehalten wird, denn es geht nicht um den aktuellen Zeitpunkt, sondern insbesondere um die Vorbereitung auf den Herbst und Winter", forderte sie den Bund auf, die Zeit aktiv zu nützen, um die technischen Rahmenbedingungen aufzubereiten und das Instrument tauglich zu stellen. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) kritisierte den Schritt mit Verweis auf die meisten Covid-Tages-Neuinfektionen seit Beginn der Pandemie: Das Aussetzen der Impfpflicht stelle eine "Kapitulation" vor Coronaleugnern und Impfgegnern dar.

Deutliche Kritik

Deutliche Kritik kam von den SPÖ-geführten Ländern Wien und dem Burgenland: "Man kann eine Impfpflicht machen, man kann auch keine Impfpflicht machen. Aber so, wie es jetzt die Bundesregierung macht, kann man es auf keinen Fall machen", hieß es in einem knappen Statement aus dem Büro von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig.

Für Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) ist das Aussetzen der Impfpflicht "abermals ein Beweis für das unkoordinierte Krisenmanagement der Bundesregierung". Zunächst habe man die Impfpflicht angekündigt, ohne zu wissen, wie man sie konkret umsetzen kann. Danach sei ein Gesetzesentwurf vorgelegt worden, der praktisch nicht umsetzbar gewesen sei und nun empfehle die Kommission, das bereits beschlossene Gesetz nicht zu vollziehen. Die Bevölkerung habe daher kein Vertrauen mehr in das Covid-Management der Bundesregierung.

Die Bundes-SPÖ nahm die Entscheidung der Kommission zwar "zur Kenntnis", vermisst aber einen Plan, wie es weitergeht. "Wenn der kommende Sommer wieder verschlafen wird, stolpern wir planlos in den Herbst und in die nächste Katastrophe", sagte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher in einer Aussendung. Auch verwies er darauf, dass die Kommissions-Experten davon ausgehen, dass im Herbst eine neue Virusvariante kommt: "Die wird uns mit voller Härte treffen, wenn die Impfrate nicht steigt." Für die SPÖ fehlt auch das Setzen von Impfanreizen sowie geeignete Kampagnen, ebenso eine Strategie zu den Tests oder zu Medikamenten.

FPÖ-Chef Herbert Kickl ortete zwar einen Erfolg für die Freiheitlichen, fürchtet aber, dass der "Impfzwang" nun eben später umgesetzt wird, wie er in einer Aussendung erklärte. "Verschoben ist nicht aufgehoben. Der grundrechtswidrige und evidenzbefreite Schlag namens Impfzwang soll jetzt eben ein paar Monate später mit aller Härte gegen die Bevölkerung geführt werden." Kickl hält das Impfpflichtgesetz weiterhin für "verfassungswidrig" - und daran ändere sich "auch in ein paar Wochen oder Monaten nichts". Der politische Kampf der FPÖ gegen das Gesetz gehe jedenfalls konsequent "auf allen Ebenen weiter". Eine ersatzlose Streichung des Impfpflicht-Gesetzes forderte auch die impfkritische Partei MFG.

NEOS-Pandemiesprecher Gerald Loacker will nun vor allem Klarheit von der Regierung hinsichtlich der Ziele im Pandemie-Management. "Die Menschen müssen alle Maßnahmen verstehen und weiterhin mit Anreizen zur Impfung gebracht werden, denn momentan ist die Zahl der Erstimpfungen unterirdisch." Es fehle darüber hinaus immer noch das gemeinsame Ziel: "Wie hoch muss die Impfquote sein? Bis wann muss das Ziel erreicht sein und wie will man es erreichen?" All das bleibt weiter unklar. Er erwarte vom neuen Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), "dass er all diese Fragen rasch beantwortet". Es dürfe nicht wieder passieren, "dass die Regierung und die Landeshauptleute jetzt wieder monatelang die Hände in den Schoß legen und in der warmen Jahreszeit nichts tun, sonst haben wir im Herbst wieder den Salat".
 

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