Vor allem die ÖVP ist hoch nervös –ob sie die Koalition auflöst, das wird in Niederösterreich entschieden.
Noch hat der U-Ausschuss gar nicht richtig begonnen – doch der ÖVP fliegen Innenministeriums- und andere Chats längst um die Ohren. Hatte sich Kanzler Karl Nehammer zuletzt trösten können, dass die meisten Belastungsmomente die Umgebung des früheren Kanzlers Sebastian Kurz betreffen so wendet sich das Blatt gerade. Der Focus liegt jetzt auf dem Innenministerium - was ohnehin schon mal nicht gut ist für den ehemalgen Minister Nehammer und auf der machtgewohnten NÖ ÖVP. Was nicht gut ist für Nehammer und für Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die spätestens im Jänner 2023 eine Landtagswahl zu schlagen hat.
It‘s Corona, stupid!
Klar ist auch: Die ÖVP kann sich angesichts der Postenschacher-Vorwürfe und der Pannen rund um die Corona-Politik der Regierung eigentlich keine Neuwahlen leisten. Und die Grünen, die nach dem Fall von Sebastian Kurz so locker aus der Wäsche sahen, auch nicht. Und trotzdem kann es passieren – und die Hauptrolle spielt dabei die NÖ Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Ihr Problem sind aber weder BMI-Chats noch der U-Ausschuss. Es ist Corona. Bei der Gemeinderatswahl in Waidhofen an der Ybbs – bezeichnenderweise die Heimatgemeinde von Wolfgang Sobotka - sind fast ein Drittel der ÖVP-Wähler zu den Impfgegnern der MFG abgewandert. Und aktuelle Umfragen sehen die ÖVP mit 44 % meilenweit von der Absoluten des Jahres 2018 entfernt.
Szenario 1: Freedom-Day
Mikl könnte sich natürlich veranlasst sehen, bundespolitisch der türkis-grünen Koalition den Stecker zu ziehen, wenn die Koalition die Corona-Pandemie nicht beendet und unangenehme Maßnahmen wie die Impfpflicht nicht einschlafen lässt. In FPÖ-internen Chat-Gruppen wird ein Szenario eines „Freedom Days“ kolportiert. Sei der grüne Gesundheitsminister nicht bald bereit, Corona Corona sein zu lassen, dann könnte die ÖVP die Koalition beenden und Neuwahlen ausrufen. Nehammer – und damit Mikl-Leitner – wären von von Covid- und Impfpflicht-Malus befreit. Und der angenehme Nebeneffekt: Der U-Ausschuss wäre mit einem Mal zu Ende.
Szenario 2: U-Ausschuss und Wögingers Auslieferung
Auch der U-Ausschuss böte Chancen für einen Bruch: Beharren etwa die Grünen auf die Auslieferung von ÖVP-Klubchef August Wöginger an die Justiz, dann wäre ein Koalitionsbruch rasch da. Geben die Grünen Wöginger Rückhalt – na dann sind sie intern unter Druck.
Szenario 3: Zuwanderer
Ein Leichtes wäre es für die ÖVP auch, für Konflikte in Sachen Migration zu sorgen. Ein paar Kinderabschiebungen des ebenfalls aus NÖ stammenden Innenministers Gerhard Karner, und das Streitlevel wäre wieder erreicht.
Wenn, dann schnell
Eines ist aber auch klar: Wenn wählen, dann schnell. Im Spätherst ist Bundespräsidentenwahl – und bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2024 ist praktisch kein Zeitfenster mehr für eine große Bundeswahl mehr frei. Und auch die SPÖ würde gern rasch wählen: Kommt rasch zur Neuwahl, käme man an Pamela Rendi-Wagner als Spitzenkandidatin nicht vorbei, Konkurrent Hans Peter Doskozil hätte wohl keine Zeit mehr, sie auszubooten.