Am 19. Mai tritt der neue ORF-Stiftungsrat zusammen. Ob - wie geplant - Lothar Lockl den Vorsitz übernimmt, ist immer noch offen. Schon werden Alternativen genannt.
Alle, bis auf die FPÖler, wollen, dass Lothar Lockl neuer Vorsitzender des ORF-Stiftungsrates wird. Dies haben der seinerzeitige ÖVP-Chef Sebastian Kurz und sein Grünen-Vizekanzler Werner Kogler in dem umstrittenen Koalitions-Sideletter vereinbart. Und beide Parteien würden sich gern daran halten. Zudem wird Lockl nicht nur bei den Türkisen auch bei SPÖ und Neos hochgeschätzt. Er war einer der Hauptarchitekten der Wahl von Roland Weissmann zum ORF-Chef – und für ihn hatten Lockl sowie ÖVP-Freundekreis-Chef Thomas Zach eine besonders breite Mehrheit zusammengebracht. Wenn Lockl will, dann wird er es.
Sideletter-Outing kompromittierte Lockl
Doch der einstige Grünen-Generalsekretär und nunmehrige PR-Unternehmer zögert. Zum einen wurde er – obwohl zweifellos für den Job qualifiziert –durch Veröffentlichung des Sideletters kompromittiert. Kein Wunder, dass die Grünen hinter dem Leak die Mannen des früheren ÖVP-Chefs Kurz vermuten.
Dann Aufträge an Lockls Firma
Wochen später wurde durch eine POLITIK-LIVE-Enthüllung ein fast 500.000 Euro schwerer Auftrag des grünen Klima-Ministerium am Lockls Firma bekannt. Doch das dürfte nicht alles sein: Die FPÖ, die ja den Stiftungsratsvorsitz verlieren wird, hat eine Anfrageserie zu Lockls Aufträgen an alle Ministerien gestellt – die Antworten werden in den Tagen vor der entscheidenden Stiftungsratssitzung erwartet. Kein Wunder, dass Lockl überlegt, ob er den – außer Sitzungsgeldern – unbezahlten Job überhaupt annehmen soll.
Zudem wird im November der Bundespräsident gewählt. Wenn – wie erwartet – Alexander Van der Bellen erneut antritt, wird Lockl ihm helfen wollen. Als ORF-Stiftungsratschef hätte Lockl sofort mit allerlei Unvereinbarkeiten zu kämpfen. Kein Wunder, dass er da überlegt.
Den Grünen fehlt eine überzeugende Alternative
Das Problem: Die Grünen haben keine überzeugende Alternative. Die zweite grüne Stiftungsrätin Andrea Danmayr ist politisch wohl zu leichtwichtig. Und die dritte - Sigrid Pilz - will erneut Wiener Patientenanwältin werden. Zwar wäre auch Lockls PR-Alter ego Martin Radjaby eine Alternative, der werkte aber stets lieber im Hintergrund.
Martin Radjaby (l.) war wie Lockl im Team Van der Bellens.
Kein Wunder, dass man in der ÖVP schon daran denkt, einen Türkisen auf den Schild zu heben, sollte Lockl verzichten: nämlich den stellvertretenden Vorsitzenden Franz Medwenitsch. Der ist seit Ewigkeiten im ORF-Gremium – und dort Vorsitzenden-Stellvertreter seit 2010.
Franz Medwenitsch wäre aus ÖVP-Sicht die Alternative zu Lockl.
Denn dass die ÖVP seinem Roten (Heinz Lederer) den Vorsitz überlassen, darf getrost ausgeschlossen werden. Der Poker geht also weiter.