Für die Polit-Experten Thomas Hofer und Peter Hajek ist die von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) für Freitag geplant Rede "zur Zukunft der Nation" ein Versuch, inhaltliche Pflöcke einzuschlagen - auch bereits in Hinblick auf die Nationalratswahl im Jahr 2024.
"Dieser Schritt ist in Wahrheit überfällig", so Polit-Berater Hofer zur APA. Denn es bestehe deutlicher Nachholbedarf, Nehammers Kanzlerrolle und jene als ÖVP-Chef "aufzuladen".
"Er wird wahrscheinlich versuchen, zu signalisieren, 'hier steht ein wirklicher Kanzler'", sagte Hajek gegenüber der APA zur geplanten Vorstellung von Nehammers Zukunftsplan "Österreich 2030". Denn diese Rolle habe er noch nicht ausgefüllt, "wie die Umfragen in der fiktiven Kanzlerfrage zeigen", so der Meinungsforscher. Es sei auch ein Versuch, das "Heft des Handelns in die Hand zu nehmen". Der ÖVP-Chef werde versuchen, "jetzt schon Themenpflöcke einzuschlagen, die den Wahlkampf für 2024 skizzieren".
Ähnliche Erwartungen hat Hofer: Es gehe wohl darum zu zeigen, "wo ist dieses Land in fünf bis zehn Jahren." Seitens der ÖVP habe man geglaubt, es reiche, "zig Rettungspakete" zu schnüren und dann Dank zu ernten. Es sei aber "nie gelungen, einen Fahrplan zu entwickeln, wie es generell, mittelfristig weitergeht" - das wolle der Kanzler nun wohl ansprechen. Und dies sei "überfällig", denn es sei klar, dass das "Narrativ der Zweiten Republik - die Aufstiegserzählung, den Kindern und Kindeskindern soll es einmal besser gehen - für viele nicht mehr glaubwürdig ist".
Nationalratswahl 2024
Auch Hofer verwies auf die Nationalratswahl im Herbst 2024. Man müsse nun beginnen, eine Geschichte zu erzählen, "wofür man eigentlich steht" - das werde Nehammer versuchen. Seitens der ÖVP seien diesbezüglich während der Pandemiebekämpfung und der Eindämmung der Kriegsfolgen einige zentrale Punkten aufgeweicht worden, verwies Hofer auf ÖVP-Themen wie das ausgeglichene Budget oder die Eigenverantwortung - "da ist viel verschütt gegangen". "Ob es gelingt, ist eine zweite Geschichte. Es gab ja schon einige Reden zur Lage der Nation, wirklich nachhaltig war das natürlich selten und ich bin gespannt, was morgen kommt."
Der von Nehammer Mitte Februar angekündigte "Dialogprozess" in Sachen Corona wird dem Vernehmen nach in der Rede keine Rolle spielen. Mit dieser Aufarbeitung soll "eine gesellschaftliche Versöhnung" gelingen, hatte der Kanzler vor rund drei Wochen erklärt. Dieses Vorhaben sieht Hofer als "echte Gratwanderung", denn es könne keine Entschuldigung und kein völliges Zurücknehmen der Linie von damals geben. Und es sei auch eine "Auflage" für die FPÖ. Für Hajek ist der Gedanke nicht falsch, "dass man der Bevölkerung signalisiert, 'da ist nicht alles gut gelaufen', 'wir haben das verstanden', 'werden die Lehren daraus ziehen'". Die "Hardcore-Impfgegner" werde man zwar nicht überzeugen, aber es gehe dabei um viele andere Gruppen, die mit dem Pandemie-Management unzufrieden waren bzw. sind.