Das Duell: ÖSTERREICH-Herausgeber Werner Schima vs. oe24-Chefredakteur Richard Schmitt.
Werner Schima: "Rendi-Wagner ist nicht das wahre Problem der SPÖ"
Bevor die SPÖ nicht weiß, wozu sie gut ist, braucht sie keine Obfrau-Debatte.
Die Frage ist wohl eher: Kann die SPÖ überhaupt noch in Schwung kommen? An Pamela Rendi-Wagner persönlich wird das allein nicht liegen, ob die einst so staatstragende Partei ihren Allerwertesten wieder hochbekommt und noch einmal eine ernst zu nehmende Rolle spielen kann.
Die Bewegungs- und Antriebslosigkeit der Sozialdemokratie ist ja kein Phänomen, das auf Österreich beschränkt ist. Mit einigen wenigen Ausnahmen, wie etwa in Dänemark oder Portugal, ist diese Bewegung in einer tiefen Krise. In Deutschland sind die Grünen drauf und dran, die Sozialdemokraten zu überholen, auch bei uns zeichnet sich das tendenziell bereits ab.
Dass Rendi nichts richtig macht, ist nicht so wichtig
Es ist ein Phänomen, das ratlos macht. Die Situation auf den Arbeitsmärkten, die Schere zwischen Arm und Reich, die sich nicht nur global, sondern auch in unserem Umfeld immer weiter öffnet, die ungelöste Bildungsfrage, die zur Folge hat, dass die Gesellschaft eine immer größer werdende Gruppe von Jugendlichen einfach aufgibt und hinter sich lässt – die Aufzählung ließe sich wahrscheinlich noch ad infinitum fortsetzen. Sie ergibt eine lange Liste von Gründen, warum eine Sozialdemokratie auch und gerade heute ihre Existenzberechtigung hätte, wenn sie Antworten auf die drängendsten Fragen hätte.
Es bleibt rätselhaft, warum es in ganz Europa keine Persönlichkeit als sozialdemokratische(r) Vor- und Nachdenker(in) gibt, die sich damit auseinandersetzt. Und wenn doch, dann kann sie sich nicht ausreichend verständlich machen.
Nicht einmal von Deutschland aus, wo in der Sozialdemokratie die Dichte an klugen Köpfen höher sein dürfte als hierzulande (ein Herr Dornauer würde es dort nicht einmal zum stellvertretenden Bezirksparteiobmann bringen), gehen diesbezüglich Impulse aus.
Das ist die wahre Crux der SPÖ – und nicht ihre Parteiobfrau. Dass auch von ihr inhaltlich nichts kommt, dass ihr ein Fauxpas nach dem anderen passiert, dass sie in den vergangenen Wochen und Monaten nichts, aber auch schon gar nichts richtig gemacht hat und personalpolitisch alles andere als eine geschickte Hand hat, ist nicht das Problem und auch nicht so wichtig.
Will die SPÖ überleben, muss sie endlich klar machen und erklären, wofür sie steht. Wahrscheinlich muss sie sich dazu neu erfinden – ob mit oder ohne Pamela Rendi-Wagner, spielt dabei keine Rolle.
Richard Schmitt: "Angezählten Partei-Chefs fehlt die Kraft zum Neustart"
Nettigkeit und Intellekt allein reichen nicht – die SPÖ braucht Stärke zum Neuanfang.
Bedeutende Politiker in der österreichischen Arena waren nicht wirklich die großen Sympathieträger: Bruno Kreisky erlebte ich, damals noch Knirps, sicher nicht als netten Kanzler. Und Wolfgang Schüssel konnte ebenfalls keinen Politik-Bachelor gewinnen, ebenso ging’s mir rein subjektiv mit Franz Vranitzky. Für deren Erfolg war das jedoch absolut egal.
Der Flohzirkus einer Partei muss kontrolliert werden
Einige Jahre später ist in Österreichs Sozialdemokratie alles etwas anders: Pamela Rendi-Wagner ist sympathisch und nett. Der (befohlene?) Image-Dreh im Wahlkampf-Finish zur bissigen, angriffigen Oppositionspolitikerin haben ihr nur wenige politische Beobachter abgenommen. Und was für einen Erfolg in der Nationalratswahl fehlte, das fehlt auch jetzt in der innerparteilichen Abwehrschlacht.
Neuer Kurs mit Julia Herr UND den roten Realos?
Die Stärke für ein hartes Durchgreifen gegen sämtliche verhaltensoriginellen Selbstdarsteller in der Sozialdemokratie, für die Umsetzung echter Reformen, für das Durchziehen eines neuen, endlich wieder populären Kurses, fehlt der SPÖ-Chefin. Pamela Rendi-Wagner hat noch immer nicht erkannt, dass hinter ihrem Rücken schon mit möglichen Nachfolge-Kandidaten verhandelt wird. Oder will sie ignorieren, wie die „roten Clans“ ihre Favoriten in Stellung bringen? Das ist nicht nett, aber für das zu erwartende Ergebnis bei der Steiermark-Wahl am 24. November nicht unklug.
Am Abend der Steiermark-Wahl wird der Spruch „Die Richtung stimmt“ nämlich mit Sicherheit nicht mehr zu verwenden sein. Und Rendi-Wagner müsste dann umdenken, aus den Positionen der talentierten Julia Herr und jenen der roten Realos einen neuen Erfolgskurs basteln. Doch hat sie dazu noch die Stärke? Wer sollte Pamela Rendi-Wagner in der SPÖ dabei noch unterstützen?
Und noch etwas Entscheidendes fehlt der aktuellen Bundesparteivorsitzenden, was ihre Sympathisanten schon im Nationalratswahlkampf vermissten: die große, gewaltige Erzählung, warum wir in Österreich die Sozialdemokratie noch gestalten lassen sollten. Sebastian Kurz hatte eine große Idee für die ÖVP, der eher glücklose Christian Kern hatte seinen Plan A.
Wäre es ein Fehler, wenn die sehr sympathische, intelligente Pamela Rendi-Wagner jetzt für einen Nachfolger Platz macht, der die Performance eines Sebastian Kurz noch toppen kann?