Österreich tut laut Simon-Wiesenthal-Center zu wenig bei der Nazi-Suche. Insbesondere der Fall Asner beschert der heimischen Justiz schlechte Noten.
Das Simon-Wiesenthal-Center hat den mutmaßlichen KZ-Aufseher John (Ivan) Demjanjuk auf Platz Eins der Liste der meistgesuchten NS-Verbrecher gesetzt und zugleich die Bemühungen der deutschen Justiz um eine Strafverfolgung von NS-Tätern gewürdigt. Schon auf Platz drei folgt der in Klagenfurt lebende Milivoj Asner, dem Kriegsverbrechen in Kroatien zur Last gelegt werden. Eine Auslieferung ist bisher an Gutachten gescheitert, die dem 89-Jährigen Verhandlungs- und Vernehmungsunfähigkeit wegen Demenz attestieren.
Note "F" für Österreich
Das
Wiesenthal-Center stellte in den am Dienstag veröffentlichten Auszügen
seines Jahresberichts 2009 eine "unerklärliche Verzögerung von fast einem
Jahr" fest, was die Untersuchung Asners auf seine Verhandlungsfähigkeit
betrifft. Österreich erhielt deshalb wie Ungarn, Litauen, Estland, Litauen
und Australien die schlechteste Note F für die Strafverfolgung von NS-Tätern.
Der frühere Polizei-Chef der kroatischen Ortschaft Pozega soll unter dem faschistischen Ustascha-Regime aktiv an der Verfolgung und Deportation Hunderter Serben, Juden sowie Sinti und Roma beteiligt gewesen sein. Im Vorjahr sorgte ein Interview der britischen "Sun" mit dem als geistig gesund beschriebenen Asner für Aufregung. Eine amtsärztliche Untersuchung attestierte Asner daraufhin Vernehmungsunfähigkeit. Seither wurden mehrere Gutachten durch Experten aus dem Ausland angekündigt.
Keine Verurteilung seit über 30 Jahren
"Während in
Deutschland viele Ermittlungen geführt und immerhin einige Verurteilungen
erreicht werden, hat es in Österreich seit über 30 Jahren keine einzige
Verurteilung eines NS-Verbrechers gegeben", kritisierte der Verfasser des
Berichts und Jerusalemer Büroleiter des Wiesenthal-Centers, Efraim Zuroff.
Deutschland mit Note "B"
Deutschland erhielt seine gute
Note B vor allem für die Anklage der Münchner Staatsanwaltschaft gegen den
in den USA lebenden ukrainisch-stämmigen Demjanjuk, dessen Abschiebung das
US-Justizministerium am Dienstag vorantreiben wollte. Die Klage sei "sehr
wichtig", hieß es. Am vergangenen Dienstag war Demjanjuk bereits aus seinem
Haus zum Flugzeug gebracht worden. Dann verhinderte ein Gericht in
Cincinnati die Abschiebung in letzter Minute. Demjanjuks Familie hatte wegen
dessen Gesundheitszustand Einspruch eingelegt.
Demjanjuk wird Beihilfe zum Mord in 29.000 Fällen zur Last gelegt. Er soll 1943 für ein halbes Jahr zu den Wachmannschaften des NS-Vernichtungslagers Sobibor gehört haben. Laut Unterlagen des Internationalen Suchdienstes in Bad Arolsen (Hessen) gab sich Demjanjuk nach Kriegsende als Nazi-Opfer aus. Demjanjuk schönte demnach in einem Fragebogen der Flüchtlings-Organisation "IRO" seinen Lebenslauf. Er habe angegeben, in Sobibor für 40 Zloty als Fahrer gearbeitet zu haben - als Arbeitgeber habe er die unbekannte "Firma Auto" genannt. Auch bei der US-Einwanderungsbehörde machte er falsche Angaben.
Litauen
Die schlechte Bewertung Zuroffs für Litauen geht auf den
Fall Algimantas Dailide zurück. Der war zwar von den USA ausgeliefert und
von einem litauischen Gericht verurteilt worden, musste aber seine
Haftstrafe nicht antreten. Seinen Lebensabend verbringt er in Deutschland.
In Ungarn soll indes die Nummer zwei der zehn meistgesuchten NS-Verbrecher
leben: Der ungarische Polizeioffizier Sandor Kepiro, der wegen Beteiligung
an der Ermordung von mehr als 1.200 Zivilisten im serbischen Novi Sad
verurteilt worden war, aber ebensowenig eine Strafe absitzen musste. Neu auf
der Liste ist ein in den Niederlanden als NS-Täter verurteilter Mann, der
aber seit 1952 unbehelligt in Deutschland lebe.
Die Österreicher Aribert Heim und Alois Brunner sind in einer Sonderkategorie aufgeführt. Während der gebürtige Steirer und berüchtigte "Dr. Tod" laut neuesten Enthüllungen bereits vor Jahren in Kairo gestorben sein soll, könnte der gebürtige Westungar (heutiges Burgenland) Brunner, der als rechte Hand von Adolf Eichmann als "Ingenieur der Endlösung" gilt, womöglich noch in Syrien leben.