Mit Stacheldraht

'Schande': Riesen-Wirbel um Asyl-Quartier in NÖ

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FPÖ-Landesrat Waldhäusl steht schwer in der Kritik.

Niederösterreichs Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) hat am Freitag erklärt, dass der Stacheldrahtzaun rund um die Unterkunft für auffällige und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) dem Schutz der untergebrachten Jugendlichen dient. Freiheitsentzug gebe es in dem Quartier keinen, betonte der FPÖ-Politiker im "Ö1"-Morgenjournal.
 

Stacheldraht zum Schutz

Es seien nicht alle Menschen immer der Meinung, "dass das lauter liebe Kerlen sind und dass die ungefährlich sind", es gebe auch "Menschen, die hier anders denken", so Waldhäusl. Zum Schutz der im Quartier wohnenden Jugendlichen habe man einen Zaun errichtet, "damit nicht jeder hier auch eindringen kann". Es gehe darum, ein geordnetes Miteinander mit der Bevölkerung sicherzustellen.
 
Freiheitsentzug gebe es in der Unterkunft keinen. "Die Jugendlichen können sowieso raus. Jeder, der raus möchte kann raus gehen, aber in Begleitung", sagte der Landesrat. Dies sei nichts anderes als eine Art Hausordnung, die es in vielen Heimen gebe, auch für österreichische Jugendliche.
 
Die allgemeine Aufregung verstehe er "überhaupt nicht", stellte der Freiheitliche klar. Untergebracht seien "notorische Unruhestifter, die in jedem Quartier in Niederösterreich für Probleme gesorgt haben und auffällig wurden". Gelehrt werden solle, sich zu benehmen und "dass man nicht alles mit Gewalt austrägt".
 
Auf die Frage, ob er die volle Rückendeckung von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) habe, sagte Waldhäusl: "Ich bin verantwortlich in diesem Bereich und brauche mit niemandem etwas absprechen." Er müsse vielmehr "für Ruhe und Ordnung sorgen".
 
Drasenhofens Bürgermeister Reinhard Künzl (ÖVP) sagte im Morgenjournal, dass die Unterkunft an der tschechischen Grenze eine "Schande für Österreich" sei: "Es wird jeder denken, wenn ich einen Stacheldraht sehe, dann sind das Verbrecher." Das seien die Jugendlichen aber nicht, sonst wären sie verurteilt "und sitzen irgendwo in einem Gefängnis".

Mikl: Stacheldraht hat dort nichts verloren"

Das Asyl-Quartier in Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) sei "kein Gefängnis", betonte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Freitag am Rande einer Pressekonferenz in Korneuburg. "Daher hat ein Stacheldraht dort nichts verloren", äußerte sie sich auch auf Facebook.
 
Es sei ihr "wichtig, dass Flüchtlinge gut untergebracht sind", sagte Mikl-Leitner in Korneuburg. Ebenso wichtig sei ihr, "dass sich die Kinder- und Jugendanwaltschaft davon überzeugt". Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) merke offensichtlich, "dass er überzogen hat", fügte die Landeshauptfrau hinzu.
 

Massive Kritik

Das Asyl-Quartier für auffällige und unbegleitete Minderjährige in Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) ist am Freitag seitens mehrerer Parteien sowie von NGOs heftig kritisiert worden. SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz sprach von einer "Schande für Österreich", Caritas Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner forderte die Schließung der Unterkunft.
 
 "Kinder und Jugendliche brauchen Beschäftigung, Betreuung und Integrationsmaßnahmen, aber doch keine 'Internierung' in Lagern", wurde Yilmaz in einer Aussendung zitiert. Sie forderte zudem die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) auf, Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) die Flüchtlingsagenden zu entziehen. "Aus meiner Sicht gehört diese Einrichtung sofort aufgelassen und die inhumanen Zustände beendet", so die SPÖ-Integrationssprecherin weiter.
 
Auch seitens der Landes-SPÖ hagelte es Kritik. "Es ist einfach unerträglich, was in unserem Land gerade passiert. Menschlichkeit, Solidarität und Hilfsbereitschaft haben keinen Stellenwert mehr. Die FPÖ verbreitet Hass und Angst, die ÖVP lässt es geschehen, weil die Blauen ihre Steigbügelhalter sind", hielt SP NÖ Landesgeschäftsführer Wolfgang Kocevar in einer Aussendung fest. Die niederösterreichischen Grünen stellten für die nächste Landtagssitzung am 13. Dezember einen Misstrauensantrag gegen Waldhäusl in Aussicht.
 
Bestürzt über das Flüchtlingsquartier im Bezirk Mistelbach zeigten sich die NEOS. Integrationssprecherin Stephanie Krisper sah in den geschilderten Umständen "klar eine Freiheitsentziehung". "Die FPÖ zeigt hier in Person des Herrn Waldhäusl ihr fremdenfeindliches Gesicht, gerichtet gegen Asylwerber und da sogar gegen Jugendliche." Das Quartier sei sofort zu schließen und die Jugendlichen menschenwürdig und im Sinne ihrer Rechte als Kinder unterzubringen.
 
Die Absetzung von Landesrat Waldhäusl fordert Alma Zadic, Menschenrechtssprecherin von "Jetzt" (vormals Liste Pilz). "Er ist in dieser Position völlig fehl am Platz und maßlos überfordert", wird sie in einer Aussendung zitiert.
 
Für die Schließung der Unterkunft tritt Caritas Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner ein. Zu argumentieren, dass das Einsperren und Bewachen von Jugendlichen ihrer eigenen Sicherheit diene, "erinnert an autoritäre Regime und dunkle Zeiten unserer Geschichte". Mikl-Leitner sei nun aufgefordert, "diesem Treiben sofort ein Ende zu setzen", so Schwertner. "Die Internierung tritt die Kinderrechte mit Füßen, widerspricht jeglicher Menschlichkeit und ist ein Schandfleck für Österreich", konstatierte das Don Bosco Flüchtlingswerk in einer Aussendung und forderte gleichsam die Schließung der Unterkunft.

Bürgermeister "total unglücklich" 

Drasenhofens Bürgermeister Reinhard Künzl (ÖVP) ist mit dem Asyl-Quartier für auffällige minderjährige Flüchtlinge in seiner Gemeinde "total unglücklich". Er teile auch die Ängste der Bevölkerung, sagte er am Freitag im Gespräch mit der APA. Die Unterbringung in dem Objekt der BIG, das früher der Grenzpolizei gedient habe, sei "nicht ideal".
 
Er sei vergangene Woche vom Büro des zuständigen Landesrates Gottfried Waldhäusl (FPÖ) über die Unterbringung informiert worden, berichtete Künzl. Am Montag seien die ersten Burschen gekommen. "Ich habe keine Freude damit", sagte der Bürgermeister. Die Bevölkerung habe Angst, weil es so "verkauft" worden sei, als handle es sich bei den nunmehrigen Bewohnern um Schwerverbrecher.
 
"Ich verstehe die Bürger", betonte Künzl. Drasenhofen zähle 550 Einwohner, die Gesamtgemeinde mit drei weiteren Ortschaften habe 1.200 Hauptwohnsitze.
 
Das Objekt unmittelbar an der Grenze zu Tschechien habe bereits vor drei Jahren als Flüchtlingsquartier gedient, so der Bürgermeister. Damals hätten 60 Personen, "lauter Familien", hier gewohnt. Es habe sich um Asylwerber in Grundversorgung gehandelt. Da habe es auch eine Welle der Hilfsbereitschaft gegeben.
 
Jetzt gehe es jedoch um "auffällige Jugendliche". Deshalb habe die Bevölkerung Angst, als Bürgermeister könne er "nicht zufrieden" sein, so Künzl zur APA. Zudem sei es "eine Schande für Österreich", wenn man bei der Einreise "als erstes" einen Zaun mit Stacheldraht sehe.
 
Noch am Montag seien zwei der Insassen durch ein Fenster auf der Rückseite des Gebäudes entkommen, berichtete der Bürgermeister zudem. Sie hätten von einer nahen Tankstelle ein Taxi gerufen, seien nach Mistelbach gefahren, dort offensichtlich in den Zug gestiegen und verschwunden.
 
Künzl will die Causa Asyl-Quartier noch selbst mit Waldhäusl besprechen. Mit dem Büroleiter des Landesrates habe er bereits wegen eines Termins telefoniert. Ein Treffen werde wohl kommende Woche stattfinden, so der Ortschef.
 
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