Die Ärtzekammer und die Kinder- und Jugendanwaltschaften sprechen sich gegen die Änderung der Anzeigenpflicht bei Gewalt gegen Kindern aus.
Das Gesetz für eine Änderung der Anzeigepflicht bei Gewalt gegen Kinder wurde am Mittwoch im Ministerrat beschlossen. Die Ärztekammer und die Kinder- und Jugendanwaltschaften sind dagegen. "Wir halten diese Regelung für extrem hinderlich und benachteiligend für die Kinder", so Martin Stickler, Sprecher der Ärztekammer. "Wir haben wirklich die Befürchtung, dass den Kindern dadurch eine Behandlung vorenthalten wird."
Gegen Anzeigenpflicht
Ähnlich beurteilt man die Entscheidung auch
bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft: Schon jetzt würden viele Opfer aus
Angst vor Folgen nicht ins Krankenhaus gebracht. "Wir sind klar gegen eine
Anzeigepflicht", meinte die Wiener Vertreterin Monika Pinterits. "Wir haben
die Befürchtung, dass dann noch mehr versucht wird, zu vertuschen."
Die Ärztekammer sprach sich für die derzeit geltende Meldepflicht an die Jugendwohlfahrt aus, die bereits bei der Novelle vor einigen Jahren von den Medizinern massiv befürwortet worden sei. "Die bisher geltende Regel ist aus Sicht der Ärzte wirklich abgestimmt auf die schlimme Situation der betroffenen Kinder", betonte Stickler. "Ihnen steht zunächst Hilfe zu." Genau dieser Anspruch werde durch eine verpflichtende Anzeigepflicht von Verdachtsfällen unterlaufen.
Personalnot bei Jugendwohlfahrt
Die Regelung habe auch immer gut
funktioniert, urteilte Stickler. Das Problem liege in der Personalnot bei
der Jugendwohlfahrt. In einem Wiener Bezirk müssten drei bis vier
Mitarbeiter etwa 100 Fälle bearbeiten. "Das ist einfach zu viel",
kritisierte er. Mehr Personal sei dringend notwendig.
"Wir vom Kinderschutzbereich haben mehrere Bedenken", erläuterte Pinterits. Eine Anzeige bedeute auch die Abgaben von Verantwortung: "Ich muss nicht mehr hinschauen", so die Kinder- und Jugendanwältin. "In den wenigsten Fällen wird ein Kind wirklich blau geschlagen". Meist gehe es um Verdachtsfälle. Die Polizei sei nicht der richtige Rahmen, um festzustellen, ob diese relevant seien.
Im Wiener Amt für Jugend und Familie wollte man die Ministerratsentscheidung am Mittwoch nicht kommentieren. Zum derzeitigen Zeitpunkt habe man darüber noch gar keine Informationen, hieß es.