Seltsame Onlineportale, jede Menge Gerüchte und eine Schlammschlacht helfen der FPÖ.
Pizzagate. Auf Twitter kann man immer neue, anonyme Accounts beobachten, die es sich zum Ziel gesetzt haben, den jeweiligen politischen Kontrahenten anzugreifen. Besonders viele Accounts sind derzeit gegen Sebastian Kurz gerichtet. Auf Facebook dürften nach wie vor die blauen Posten besonders aktiv sein und auffallend viele Verschwörungstheorien gegen den VP-Chef, der die Koalition mit der FPÖ beendet hat, lancieren.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wiederum wird von Postern, die – vorsichtig formuliert – VP- und FP-Fans zugerechnet werden können, sukzessive versucht, als „schwach“ ins Lächerliche zu ziehen.
So weit, so normal ist das bereits in Wahlkampfzeiten. In diesem Wahlkampf hat das Negative wenn nicht gar Dirty Campaigning aber eine neue Dimension erreicht. Eine Website Zoom Institute verbreitet nun sogar seltsame Gerüchte privater Natur über Sebastian Kurz.
Tirols SP-Chef Georg Dornauer twitterte wiederum einfach ungeprüft eine E-Mail, in der einer VP-Mandatarin außerordentliche Spenden vorgeworfen werden. Die ÖVP dementiert verärgert und hat den Staatsanwalt eingeschaltet.
SPÖ und FPÖ betreiben hinter den Kulissen hingegen weiter das bizarre Detektivspiel, wer hinter dem Ibiza-Video stecke, und lancieren Gerüchte, es sei die ÖVP. Irgendeinen Beweis für diese Vorwürfe legen sie ebenso wenig vor, wie für die E-Mails, die sich Kurz und sein einstiger Kanzleramtsminister Gernot Blümel geschrieben haben sollen. Die ÖVP redet von Fakes und moniert, dass man ihr diese vermeintlichen E-Mails immer noch nicht vorgelegt habe.
Warum die FPÖ von der Schlammschlacht profitiert
Strategiewechsel. Der VP-Kanzlerkandidat, der in den ersten Tagen nach Auffliegen des Ibiza-Skandalvideos – Ex-FP-Vizekanzler Strache hatte einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte Staatsaufträge im Gegenzug für Parteispenden in Aussicht gestellt – SPÖ-nahe Berater als Drahtzieher verdächtigt hatte, lässt dies nun.
Vermutlich, weil die ÖVP begriffen hat, dass die ungeprüften Beschuldigungen am Ende nur der FPÖ helfen.
Der Wahlkampf erinnert in dieser Hinsicht an jenen vom Sommer 2017, als SPÖ und ÖVP sich in der Causa Tal Silberstein zunehmend stärker wechselseitig bezichtigten, Dreck am Stecken zu haben. Auch jetzt geht es stärker um SPÖ und ÖVP als um die FPÖ – deren langjähriger Chef immerhin Hauptdarsteller im Skandalvideo war. Dass Strache in diesem Video auch noch vermeintliche Sexszenen von Politikern ins Spiel gebracht hatte, regte zudem die Fantasie virtueller Armeen an, die diese Gerüchte nun immer rascher in Foren von Onlinemedien und auf Social Media verbreiten. Der latente Vorwurf, dass ja „alle Politiker Gauner“ seien, lässt die Strache-Affäre in Vergessenheit geraten.
Schreddern. Dass ein Ex-Kanzleramtsmitarbeiter von Kurz wiederum nachträglich beim Schreddern von Druckerspeicherplatten erwischt wurde, lässt die FPÖ sich ins Fäustchen lachen.
Alle sollen alles aufklären. Einen Wahlkampf à la Donald Trump mit jeder Menge Fake News sollten die Parteien dringend stoppen. Wenn das aber erst die Ouvertüre für den Intensivwahlkampf gewesen ist, muss sich das Land auf den grauslichsten Wahlkampf der letzten Jahre einstellen. Ob das die Wahlbeteiligung steigert, darf bezweifelt werden.
Blaue Detektivspiele: Suche nach Ibiza-Video-Machern als Ablenkung
HC Strache beschäftigt sich hauptberuflich mit der Suche. Seine Motive.
Tarnen und Täuschen. Wenn er nicht gerade auf Urlaub in Ibiza ist, frönt Heinz-Christian Strache seiner Lieblingsbeschäftigung: Er sucht tatsächliche oder vermeintliche Drahtzieher des Ibiza-Videos. So spannend es auch ist, wer hinter dem Video steckt oder wer es an deutsche Medien spielte, so sehr nützt diese „Detektivarbeit“ vor allem dem Ex-FP-Chef.
Denn damit lenkt er geschickt von sich ab – ÖVP und SPÖ halfen ihm kurz nach Auffliegen seiner Parolen in Ibiza ungewollt, indem sie sich selbst auf die Suche nach Verdächtigen machten und ÖVP und SPÖ-Teile sich wechselseitig beschuldigten, involviert zu sein.
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In der FPÖ macht ein Teil daher auch eifrig mit, während andere das Kapitel nun schließen wollen. Sie befürchten, sonst „Strache permanent als Schatten über uns schweben zu haben, was uns dann letztlich auch schaden würde“, glaubt ein FP-Stratege.
ÖVP und SPÖ wollen hingegen im Intensivwahlkampf doch wieder daran erinnern, was Strache eigentlich in dem Video gesagt hatte, statt die Detektivspielchen fortzusetzen.