Schwere Vorwürfe erhebt eine ehemalige Spitals-Mitarbeiterin: Privat-Patienten werden auf Wartelisten für Operationen bevorzugt.
Eine ehemalige Spitals-Angestellte packt aus: Kassen-Patienten müssen bis zu eineinhalb Jahren auf komplizierte Operationen in einem Wiener Ordensspital warten. Privat-Patienten kommen innerhalb eines Tages auf den OP-Tisch.
Sie habe Patienten immer wieder auf der Warteliste zurückreihen müssen, sagt sie mit verzerrter Stimme, aus Angst vor Klagen ihres Ex-Arbeitgebers: "Die sind dann aufgenommen und wieder heimgeschickt worden - mit irgendeiner fadenscheinigen Erklärung." Natürlich habe es Notfälle gegeben, aber es sei auch oft deswegen passiert, weil noch der Chef einen Privatpatienten schnell aufs OP-Programm setzen wollte.
Privat-Patienten bevorzugt
Ständig habe sie Lügengeschichten
über angebliche Notfälle erfinden müssen. Dabei seien in Wahrheit
Sonderklasse-Patienten, aber auch Politiker oder Medien-Mitarbeiter der
Grund für die Operations-Absagen gewesen: "Die Patienten haben
dann oft teilweise am Telefon geweint. Der Hintergrund war aber immer der
schnöde Mammon." Sonderklasse-Patienten zahlen eigentlich nur für
Einzelzimmer, besseres Essen und freie Arztwahl, aber nicht für frühere
Operationen, betont die Frau.
Vorgehen schädigt auch Krankenkassen
Auch die Krankenkassen
gehören zu den Leidtragenden des Systems, und zwar wegen der Kosten, die
entstehen, wenn ein schon mehrfach voruntersuchter Patient zurückgereiht
wird: "Wenn man sagt, die Wiener Gebietskrankenkasse hat kein Geld mehr
und man binnen zwei Monaten zweimal ein komplettes Blutbild machen muss,
dann finde ich das als eine Verschwendung."
Zusatzversicherte nicht immer im Vorteil
Aber auch so mancher
Patient mit Zusatzversicherung sei ein Verlierer des Systems. Oft habe sie
den Eindruck gehabt, diese Leute würden extra so schnell operiert, damit sie
ihren Entschluss nicht ändern und damit dem Spital und den Ärzten kein Geld
entgeht. Die ehemalige Spitals-Angestellte: "Man findet immer etwas zum
Operieren. Da sind Patienten gekommen, die haben dann eine Rundum-Erneuerung
bekommen. Wie weit das medizinisch vertretbar war und ob das zu diesem
Zeitpunkt schon notwendig war, wage ich zu bezweifeln."
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Nachbetreuung musste bezahlt werden
Wie sehr Staat und privat
von einzelnen Ärzten vermischt werden, zeigt die Aussage einer Patientin.
Ein sogenannter Wahlarzt bzw. Gastarzt habe ihr und anderen Patientinnen
weisgemacht, sie müssten für die Nachbetreuung nach einer Operation in einem
öffentlichen Spital zahlen, fünf Visiten gingen auf ihr Konto.
Chirurg bestätigt Vorwurf
Dass es Vorreihungen gibt,
bestätigt auch der Chirurgenvertreter und Primar Franz Stöger: "Das
ist leider richtig so." Auf der anderen Seite würden aber die
Privatversicherungen das gesamte System stützen." Ohne
Privatpatienten würde das Gesundheitssystem noch wesentlich mehr über
Steuern und Abgaben getragen. Akutpatienten würden aber immer sofort
behandelt.
Korosec sammelt Beweise
Die Wiener ÖVP-Gemeinderätin und frühere
Volksanwältin Ingrid Korosec führt eine Kampagne gegen lange Wartelisten in
Wiener Spitälern. Innerhalb weniger Wochen hätten sich 300 Patienten bei ihr
gemeldet. Mehrere von ihnen seien zwei bis drei Mal wieder nach Hause
geschickt worden, obwohl der OP-Termin bereits fix war. Korosec: "7000
Euro und ein rascher Termin war kein Problem."
Ärztekammer hellhörig
Die Wiener Ärztekammer wehrt
sich naturgemäß gegen die Anschuldigungen. Trotzdem will man jetzt eine
E-Mail-Adresse für Beschwerden einrichten und anonyme Fälle einholen.