Pröll sieht zu wenig Sparvolumen - Rote teils sehr sauer.
ÖVP-Finanzminister Josef Pröll lehnt das von Sozialversicherung und Ärztekammer ausverhandelte Paket zur Sanierung der Krankenkassen ab. Es würde den Regierungsauftrag "nur teilweise erfüllen". Die Vorschläge zur Kostendämpfung seien insgesamt zu wenig "weitreichend, um das Volumen des Kassenstrukturfonds auszulösen".
Finanzspritze liegt bereit
Die Sanierungsmaßnahmen, die laut
Hauptverband bis 2013 rund 2,5 Mrd. Euro an Einsparungen bringen sollen,
sind Voraussetzung für die finanzielle Hilfe für die maroden Kassen. Der
Bund hält für die kommenden drei Jahre jeweils 150 Mio. Euro - in Summe also
450 Mio. Euro - zur Entschuldung der Kassen sowie eine einmalige "Überbrückungshilfe"
von 45 Mio. zusätzlich zum Kassenstrukturfonds (100 Mio. für 2010) bereit.
Teure Zusatzwünsche
Auf Ablehnung stoßen im
Sanierungspapier enthaltene Maßnahmen, "wonach aus dem
Bundesbudget den Kassen zusätzliche Mittel im Ausmaß von rund einer Mrd.
Euro zur Verfügung gestellt werden sollen". Die Analyse des
Ressorts hat ergaben, dass diverse Zusatzwünsche enthalten sind, die in
Summe bis 2013 eine Mrd. Euro ausmachen würden.
Kalkulation nicht nachvollziehbar
Das Ressort vermisst außerdem "nachvollziehbare
Kalkulationen über die tatsächlichen finanziellen Auswirkungen einzelner
Maßnahmen". In Summe könne diese Vorgangsweise "nicht
akzeptiert werden". Das Finanzministerium verlangt nun "Nachbesserungen"
und erwartet vom Hauptverband und dem SPÖ-Gesundheitsministerium als
Auftraggeber des Konzepts mehr Informationen.
Auch Mitterlehner für Nachbessern
Für
ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner sind die Zusatzwünsche
ebenfalls das Problem. Für den Kassenstrukturfonds würden
zusätzlich 300 Millionen Euro anfallen, für die Vollabdeckung des
Einnahmenausfalls aus der Rezeptgebührenobergrenze noch einmal 158 Millionen
Euro. Den Einsparungen von 2,5 Milliarden Euro stünde also eine
Milliarde Euro an zusätzlichen Aufwendungen entgegen, so Mitterlehner.
Stöger sagt präzise Infos zu
Der rote
Gesundheitsminister Alois Stöger bleibt dabei, er stehe zu dem Papier, es
enthalte wichtige Vorschläge zur Optimierung der Versorgungsstruktur und der
Qualität. Aber "der Hauptverband wird dem Finanzminister die
gewünschten Informationen sicher gerne zur Verfügung stellen",
ist Stöger überzeugt. Mit den Zusatzwünschen hat er allerdings auch keine
rechte Freude.
Schieder ist eher sauer
SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas
Schieder sieht bei der Kassensanierung "keinen Grund zur Blockade".
Wenn Pröll etwas nicht passe, solle er sich das mit Hauptverbandschef
Hans-Jörg Schelling, einem ÖVP-Mann, ausmachen, findet Schieder.
ÖGB ortet "Machtspiele"
Ähnliches ist vom ÖGB zu
hören. Die Blockade des Kassensanierungspakets durch den Finanzminister sei
ein "politisches Machtspiel", urteilt der Leitende Sekretär
Bernhard Achitz. Pröll solle die Finanzspritze an die Kassen nicht
blockieren, sondern lieber die Selbstverwaltung in Ruhe arbeiten lassen.
Ärzte wundern sich
Ärztekammer-Präsident Walter Dorner ist "erstaunt"
darüber, dass der Finanzminister kein grünes Licht für das
Krankenkassen-Paket gegeben hat. Es sei "unmöglich",
innerhalb weniger Monate mit einem einzigen Reformkonzept die "Fehler
der vergangenen Jahrzehnte" komplett zu beheben, meint Dorner.
Schelling verwirrt
Schelling will wissen, was los ist. Weil die
Regierungsmitglieder unterschiedlich auf das Sanierungspaket reagiert haben,
wünscht er sich eine klare Position der Regierung. Der Hauptverbandschef
findet zwar, dass das Konzept "Hand und Fuß" habe. Er ist
aber durchaus bereit, in den Dialog zu treten und die einzelnen Maßnahmen zu
erklären.
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Eckpunkte des Pakets
Das Paket zur Sanierung der Krankenkassen wurde von Hauptverband der Sozialversicherungsträger und Ärztekammer ausverhandelt und vergangene Woche vorgelegt. Eingefordert wurde es von der Bundesregierung, die den defizitären Kassen unter anderem eine Finanzspritze in der Höhe von insgesamt 450 Millionen Euro sowie einen Strukturfonds mit 100 Mio. Euro in Aussicht stellte, dafür aber Konzepte für "kostendämpfende Maßnahmen" vom Hauptverband sehen wollte. Um bis 2013 rund 2,5 Mrd. Euro Kosten zu "dämpfen", setzen Kassen und Ärzte unter anderem bei Medikamentenkosten, Honorarordnung und Arztpraxen an.
M E D I K A M E N T E - Die Ärzte sollen angehalten werden, bei mehreren Alternativen stets die günstigere Variante eines Medikaments zu verschreiben. Angedacht wird auch eine differenzierte Rezeptgebühr, sprich, Patienten würden für billigere Präparate weniger Rezeptgebühr bezahlen. Kleinere Packungsgrößen könnten nach Vorstellung von Sozialversicherung und Ärztekammer ebenfalls sparen helfen.
A R Z T P R A X E N - Die Bildung von Gruppenpraxen durch Ärzte GmbH soll erleichtert werden. Flexiblere Öffnungszeiten sollen auch am Wochenende ein Angebot im niedergelassenen Bereich bringen. Bei der Bedarfs- und Stellenplanung sollen die ambulanten Versorgungsstrukturen berücksichtigt werden. Für die Qualitätskontrolle der Praxen bleibt die Ärztekammer zuständig, die Kassen wollen aber mehr mitreden.
H O N O R A R E und V E R T R Ä G E - Die Honorare werden weiterhin zwischen Trägern und Ärzten verhandelt, allerdings auf Basis eines neuen Kriterienkatalogs, der für alle gelten soll. Neu kommen soll auch ein Alterslimit für einen Kassenvertrag, nämlich fünf Jahre über dem regulären Pensionsalter. Zudem wird die Möglichkeit für Einzelverträge eröffnet. Die Kündigungsbestimmungen sollen neu geregelt werden, auch, um "'schwarze Schafe' rasch kündigen zu können", wie es wörtlich im Papier heißt.