Georg Olschak

Strassers Richter: "Ich bin nicht gnadenlos"

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Georg Olschak im Interview über Strasser, Golf und seine Tibet-Leidenschaft.

Über sein Hammer-Urteil wird zwischen Wien und dem EU-Parlament in Brüssel viel diskutiert. Richter Georg Olschak (47) ist seit Montag der Held der Korruptionsjäger. Er verdonnerte Ex-Innenminister Ernst Strasser wegen Bestechlichkeit (übrigens die erste Anklage dieser Art) in der Lobbygate-Affäre zu vier Jahren Haft.

Besonders sarkastisch Olschaks Kommentar über Strassers skurrile Agentenjagd: „Das zählt zum Abenteuerlichsten, was mir in den letzten 20 Jahren untergekommen ist.“

Tibet-Fan und Golfer
Einen Tag nach dem viel diskutierten Urteil sitzt Richter Georg Olschak in seinem 20 Quadratmeter großen Richterzimmer im ersten Stock am Wiener Landesgericht. Er zieht genüsslich an seiner Zigarette – pro Tag raucht er zirka 15 Stück –, im Hintergrund spielt klassische Musik. Olschak versucht nach dem Monsterprozess, der unter größtem medialem Getöse über die Bühne ging, ein wenig zu entspannen.

Von seinem neuen Image als Richter „gnadenlos“ will der zweifache Vater (seine 19-jährige Tochter Ariane studiert auch Jus) nichts wissen. Im Gegenteil: „Ich bin Richter geworden, weil ich in kleinen Bereichen etwas bewegen wollte. Die tollen Momente im Richterleben sind, wenn man einen lebenslangen Häftling vorzeitig entlässt und er nicht rückfällig wird,“ so Olschak.

Auch privat lebt er dieses Credo. Er will Menschen auf einen besseren Weg bringen. Vor allem die Schicksale der Kinder in Tibet liegen dem Richter am Herzen. In seinem Richterzimmer entdeckt man tibetische Gebetsfahnen, sein süßer Hund – es ist ein Tibet-Terrier – liegt unter seinem Tisch. Er heißt Dekyi Tsering. „Das heißt auf Tibetisch Ozean des Glücks,“ erklärt Olschak. Seit vielen Jahren hat Olschak ein tibetisches Patenkind, das die Flucht von ­Tibet ins indische Dharamsala schaffte. Selbst hat der begeisterte Bergsteiger Tibet noch nie besucht. „Mein Patenkind schickt mir Fotos“, erzählt Olschak.

Von Monsterprozessen versucht Olschak mit seiner Lebensgefährtin (sie ist auch Richterin) beim Golfspielen abzuschalten. Er hat Handicap 20. „Hier kann ich am besten den Kopf frei bekommen. Denn bei Golf darf man an nichts anderes denken, sonst spielt man schlecht. Und Golf lehrt Demut.“

Das hätte Strasser sicher auch nicht schlechtgetan.

"Österreich ist keine Bananenrepublik"

ÖSTERREICH: Herr Olschak, der Strasser-Prozess ist vorbei. Wie anstrengend ist ein so medienwirksamer Prozess für einen Richter?
Georg Olschak: Natürlich fällt eine große Last ab. Die Anspannung während des Prozesses ist auch für den Richter ständig präsent. Der Fall beschäftigt einen mental. Aber die Causa ist für mich jetzt noch nicht zu Ende. Die Arbeit fängt nur an, eine andere zu sein. Jetzt muss das schriftliche Urteil ausgefertigt werden. Das dauert noch ein bis zwei Monate.

ÖSTERREICH: Warum dauert die Ausarbeitung des Urteils eigentlich so lange?
Olschak: Die Rechtsfrage ist nicht einfach und das Urteil muss wasserdicht sein. Dafür muss ich nochmals die ganzen Beweismittel durchgehen. Das sind 35 Bände zu je 500 Seiten (17.500 Seiten). Das Urteil wird zwischen 100 bis 200 Seiten haben. Bis das diktiert ist, dauert es eine Zeit lang.

ÖSTERREICH: Wie oft wurde von Ihnen ein Urteil von den obersten Richtern schon gekippt?
Olschak: Am Anfang der Richterkarriere macht man natürlich Fehler und lernt aus der Kritik. Aber in den letzten Jahren wurden von mir keine Urteile mehr gekippt. Ich weiß gar nicht, wann das letzte war.

ÖSTERREICH: Zwischen Wien und Brüssel wird viel über Ihr Urteil diktiert. Viele meinen, es ist zu hart. Sind Sie als Richter gnadenlos?

Olschak: Nein, das bin ich absolut nicht. Ich gelte nicht als der strenge Richter in diesem Haus. Mein erstes lebenslanges Urteil habe ich nach 19 Jahren als Richter verhängt. Das Wichtigste ist, dass der Richter eine Strafe findet, die für den Angeklagten nachvollziehbar ist. Damit er weiß, was er gemacht hat, und dass er weiß, warum er jetzt diese Strafe bekommt.

ÖSTERREICH: Bei Ernst Strasser hat man nicht das Gefühl, dass er weiß, warum er diese Strafe bekommen hat …
Olschak: Das möchte ich nicht kommentieren.

ÖSTERREICH: Sie werden nun als Held gefeiert, der endlich einen Politiker hinter Gitter brachte. Freut Sie das?
Olschak: Diese Meinung tangiert mich herzlich wenig. Ich nehme sie zur Kenntnis, aber ich freue mich nicht. Ich vollziehe nur, was der Gesetzgeber zum Gesetz macht.

ÖSTERREICH: Strassers Anwalt hat Österreich eine Bananenrepublik genannt. Das hat Sie sichtlich geärgert, weil im Prozess umgehend ein Konter kam.

Olschak: Um mich zu verärgern, braucht’s schon ein bisschen mehr. Aber ich glaube nicht, dass wir in einer Bananenrepublik leben. Deswegen war meine Replik notwendig.

ÖSTERREICH: Früher hatte man das Gefühl, es gab einen Promi-Bonus vor Gericht. Hat sich das nun in einen Promi-Malus umgewandelt?

Olschak: Ich weiß nicht, ob es jemals einen Promi-Bonus gab. Aber ich möchte jetzt auch nicht als Promi-Schreck-Richter gelten. Es gibt keine Vorurteile, die hier reinspielen. Als Richter kennt man den Akteninhalt, dann hört man die Zeugen und macht sich ein Bild vom Sachverhalt.

ÖSTERREICH: Sind Sie auch der Meinung, dass die Verfahren gegen die Prominenten schneller durchgezogen gehören, weil Promis wegen des öffentlichen Drucks mehr leiden?
Olschak: Wenn es notwendig ist, lange zu verhandeln und zu ermitteln, dann kommt man nicht umhin. Die Justiz verschleppt diese Verfahren nicht mit Absicht.

ÖSTERREICH: Wie wichtig war der Fall Strasser für Ihre ­Karriere?

Olschak: Ich plane keine große Karriere mehr. Ich bin gerne am Gericht und verhandle gerne. Und das Aktenverfahren in den weiteren Instanzen (Anmerkung der Redaktion: Oberlandesgericht oder OGH), das ist nicht meine Leidenschaft.

ÖSTERREICH: Warum wollten Sie eigentlich Richter werden und nicht Anwalt? Die Verdienstmöglichkeiten als Anwalt sind ungleich höher …
Olschak: Weil ich als Richter in kleinen Bereichen etwas bewegen kann. Ich bin als Richter auch für bedingte Entlassungen zuständig. Da ist die juristische Seite nicht so bedeutend, sondern hier dominiert eher das Zwischenmenschliche. Oft versuche ich auch, zu den bedingt Entlassenen eine Vertrauensbasis aufbauen. Damit sie sich an mich wenden, wenn sie Probleme haben. Diese Arbeit macht eine große Freude.

ÖSTERREICH: Wie weit geht diese Vertrauensbasis?
Olschak: Bei manchen Häftlingen sehr weit. Vor einigen Jahren hatte ich einen Insassen, der in der Abteilung für geistig abnorme Rechtsbrecher saß. Er hatte schwerst autistische Züge. Wir haben ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut, sodass ich einer von zwei Personen war, mit denen er überhaupt gesprochen hat. Ich bin dann regelmäßig zu ihm in die Haftanstalt gefahren, um ihn zu besuchen. Das sind wirklich tolle Momente im Leben eines Richters.

ÖSTERREICH: Sie wollen die Rechtsbrecher auch auf einen besseren Weg bringen?
Olschak: Es freut mich als Richter, wenn man einen Lebenslangen vorzeitig entlässt, der dann nicht mehr rückfällig wird, sondern wieder eine Arbeit findet und seine Therapie absolviert. Das sind schöne Geschichten.

ÖSTERREICH: Wenn Sie einen Korruptions- mit einem Gewaltprozess vergleichen: Wo liegt für einen Richter die Herausforderung?

Olschak: Bei einem Wirtschaftsprozess ist es natürlich spannend, die Geschäftsverflechtung wie ein Puzzle zu zerlegen. Das ist eine spannende geistige Arbeit. Bei Gewaltverbrechen geht es um das Zwischenmenschliche. Da ist die seelische Arbeit spannend.

ÖSTERREICH: Wo entspannen Sie nach Monsterprozessen wie Ernst Strasser?
Olschak: Beim Golfspielen, bei klassischer Musik, beim Bergsteigen in Südtirol oder bei einem Italien-Urlaub.

ÖSTERREICH: Italien ist das Traumland der Korruption?
Olschak: Das stimmt. Aber als Tourist merkt man die Korruption nicht (lacht).

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