Schulstreit

Verfassungsrechtler warnt vor Verländerung

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Heinz Mayer kann einer Stärkung der Länderkompetenzen nichts abgewinnen.

Eine Verländerung der Schulverwaltung, wie von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) und anderen Länderchefs bei der vergangenen Landeshauptleute-Konferenz angestrebt, würde das österreichische Schulsystem noch ineffizienter und intransparenter machen, meint Verfassungsrechtler Heinz Mayer (Uni Wien). "Der Bund wäre lediglich für die Finanzierung einer von ihm kaum mehr gestaltbaren Bildungspolitik zuständig", warnt Heinz Mayer in einer für das Unterrichtsministerium erarbeiteten Stellungnahme.

Mayer warnt vor "landesspezifischen Modellen"
Mayer rechnet laut dem der APA vorliegenden Schreiben mit ähnlichen Fehlentwicklungen, vor denen Unterrichtsministerin Claudia Schmied (S) wiederholt gewarnt hat: Durch die von Pröll geforderte Möglichkeit, im Schulbereich "landesspezifische Modelle" einzurichten, würden die Länder "mit ziemlicher Sicherheit" ihre Schulen unterschiedlich organisieren, etwa was die Bildungsinhalte oder die Dauer der verschiedenen Schulformen angeht. Ein Wechsel von Schülern über die Landesgrenzen werde dadurch "jedenfalls nur schwer möglich sein". Auch einheitliche Lehrpläne seien passé, wenn diese von jedem Land individuell per Durchführungsgesetz festgelegt werden.

Auch Länderkompetenz für Lehrer problematisch

Komplikationen erwartet Mayer auch für den Fall, dass alle Lehrer künftig den Ländern unterstellt werden. Wegen der Generalklauseln, die im Dienstrecht üblich seien, könne keine einheitliche Vollziehung des Dienstrechts garantiert werden. Der Wechsel eines Lehrers in ein anderes Bundesland würde schwerer.

Kein Einsparungspotential bei Verländerung

Einsparungsmöglichkeiten ortet Mayer bei einer Verländerung nicht: Bei einer Finanzierung per Kopfquote je Schüler (Betrag vom Bund pro Schüler, Anm.) sei ein transparentes Finanzierungssystem "nicht gesichert". Da der Bund jede Neuregelung mit allen Ländern akkordieren müsste, würde das System außerdem nicht nur schwerfällig, sondern hätte auch Sonderfinanzierungsströme zur Folge. Um die Bildungsziele zu kontrollieren, die auch laut dem Pröll-Vorschlag vom Bund vorgegeben werden sollen, müssten für eine effektive Kontrolle neue spezialisierte Einrichtungen geschaffen werden.

LH Dörfler will Kompetenzen für Lehrer an Bund abgeben
Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) sprach sich für eine Übertragung der Kompetenzen für alle Lehrer an den Bund aus. Er forderte eine umfangreiche Verwaltungsreform u.a. im Bildungsbereich, "aber nicht so, wie es sich der Pröll vorstellt, der frustrierte Niederösterreicher Erwin, der vom Macher zum Tschentscher (kärntnerisch für "raunzen", Anm.) wird".

Eltern fordern "profunde Trendwende"
Elternverbände haben unterdessen am Montag für eine "profunde Trendwende" in der Bildungspolitik plädiert und angekündigt, "allen Versuchen zu einer 'Verländerung' des Schulsystems energischen Widerstand" entgegenzusetzen. Der Elternverband an mittleren und höheren Schulen und der Hauptverband Katholischer Elternvereine Österreichs kündigen deshalb auch an, das Bildungsvolksbegehren von Hannes Androsch zu unterstützen.

Besorgnis bei Bildungsexperten
"Außerordentlich besorgt" haben sich mehrere Bildungsforscher und Erziehungswissenschafter rund um Herbert Altrichter von der Uni Linz wegen der aktuellen Debatte um eine Verländerung der Schulkompetenzen mit einem Schreiben an das Unterrichtsministerium gewandt. Diese Pläne würden "dem vorhandenen wissenschaftlichen Sachverstand diametral widersprechen und zu ernsthaften Beeinträchtigungen der weiteren Entwicklung des Schulwesens führen", warnen die Unterzeichner.

Zeitgemäße Reformdebatte gefordert
Sie erwarten, dass die Reformdiskussion "entsprechend den Standards des 21. Jahrhunderts auf dem vorhandenen Sachverstand aufbaut und die präsentierten Lösungsansätze zum Ausgangspunkt konstruktiver Entwicklungen nimmt", so die Forscher. Bemerkenswert ist aus deren Sicht zudem, dass die meisten betroffenen Interessengruppen - von der Industriellenvereinigung und der Arbeiterkammer über die Eltern- und Schülerverbände bis zu den Lehrern selbst - sich der Expertenmeinung anschließen.

Neben Altrichter haben u.a. der Salzburger Erziehungswissenschafter Ferdinand Eder, Bildungsforscher Lorenz Lassnigg vom IHS, Werner Specht von Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) und die Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Uni Wien die Stellungnahme unterzeichnet.

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