Interview mit SPÖ-Kanzlerlegende Vranitzky über Politik udn die aktuelle Situation der SPÖ.
ÖSTERREICH: Derzeit meinen viele in der Politik, klassische Parteien hätten sich überlebt …
Franz Vranitzky: Diese Meinung teile ich überhaupt nicht. Parteien haben sich als Wertegemeinschaften zu verstehen. Es geht in der Politik darum, für Grundsätze einzutreten. Wer sein Heil nur in Persönlichkeiten sucht – so wichtig auch Persönlichkeiten sind – zielt an den Wünschen der Bevölkerung vorbei. Nur gescheit, telegen sein, reicht nicht, wenn Politik nicht klare Konzepte für die gesamte Gesellschaft hat. Es darf nicht nur Politik für einzelne Gruppen geben.
ÖSTERREICH: Was müsste die SPÖ in den Mittelpunkt ihrer Politik rücken?
Vranitzky: Mein lebenslanges politisches Credo war immer die soziale Balance. Der Ausgleich zwischen den sozialen Gruppen ist ganz entscheidend. Sonst würden wir auf ein US-System zusteuern, in dem es heißt, der Arbeitslose sei selbst schuld, dass er arbeitslos sei. Gerade die Sozialdemokratie muss sich als Wertegemeinschaft verstehen, die für soziale Gerechtigkeit und auch Umverteilung eintritt.
ÖSTERREICH: Die SPÖ arbeitet an einem Kriterienkatalog und will auch keine Koalition mehr mit der FPÖ ausschließen. Wie sehen Sie das?
Vranitzky: Ich bin da zurückhaltend. Als Erstes sollte man sich darauf konzentrieren, die Wahl erfolgreich zu schlagen. Die Koalitionsmöglichkeiten sollte man danach ausloten. Sich bereits jetzt damit auseinanderzusetzen, das Gerede über Koalitionen, halte ich für eine entbehrliche Übung.
ÖSTERREICH: Ist Strache anders als Haider? In den Inhalten?
Vranitzky: Strache ist anders als Haider. Aber außer anders, ist er gleich.
ÖSTERREICH: Die SP-Spitze scheint derzeit außer Tritt?
Vranitzky: Viele Zeitungen – darunter Ihre – scheinen angetan von Kurz zu sein, damit wirkt Christian Kern dagegen alt. Aber deswegen ist die SPÖ noch nicht außer Tritt.
ÖSTERREICH: Der Konflikt in der SP-Wien ist real, oder?
Vranitzky: Da haben Sie nicht unrecht. Aber ich halte die Wiener SPÖ für problemeinsichtig genug, damit sie die Konflikte im Nationalratswahlkampf beilegt und um das gemeinsame Ziel kämpft.
ÖSTERREICH: Was halten Sie von Sebastian Kurz?
Vranitzky: Er war sehr geschickt mit Fototerminen, Netzwerken und PR-Auftritten, aber ich wüsste gerne, welche Vorstellungen er etwa für unsere Arbeitswelt hat und welche wirtschaftlichen und kulturellen Vorstellungen er hat. Isabelle Daniel