Wahl-Analyse

Wahlkampf ohne Themen: 'Wer kann anderen besser anpatzen?'

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Polit-Experte Wolfgang Rosam erklärt die Parteien im Wahlkampf. 

Der längst gestartete Wahlkampf ist ein einziger Krampf, bei dem es derzeit offenbar nur darum geht: „Wer kann den anderen besser anpatzen?“ Und: Wir erleben eine einzigartige Wettbewerbssituation, in der es nur einen Gegner für alle anderen gibt, nämlich: alle gegen Kurz!“

JETZT. Peter Pilz WAR
einmal ein guter Politiker


Frust. Peter Pilz war einmal ein guter Politiker. Ein Aufdecker und eine Stütze der Grünen. Heute ist von seinem Talent außer Frust und dem „Nicht erkennen wollen, dass seine Zeit vorbei ist“ nichts mehr übrig. Niemand glaubt ihm mehr seine Saubermann-Rolle und niemand braucht ihn JETZT noch. Das ist eigentlich schade, wird aber nicht mehr zu ändern sein. Wenn jemandes alleiniges Programm ist, den Politgegner zu attackieren, sonst aber nichts Inhaltliches zu bieten hat, fällt er beim Wähler durch.

GRÜNE: Comeback wird ihnen leicht gemacht

Klima. Das hätte sich Werner Kogler noch vor einem Jahr auch nicht gedacht: so ein Comeback! Aber alle anderen Parteien haben es ihm auch leicht gemacht, weil sie die Causa prima für jüngere Wähler, den Klimaschutz, schwerst unterschätzt haben. Und: Er sammelt fleißig frustrierte SPÖ-Wähler ein, die, plötzlich heimatlos, zu haben sind. Deshalb werden die Grünen über 10 % kommen, ohne dass sie dafür besonders viel tun müssen. Dennoch ist Türkis

Grün für mich in sehr weiter Ferne, weil sie wohl die schwierigste und unstimmigste aller Koalitionen wäre.

NEOS: Sympathisch, aber in der Sinnkrise

Kreativer. Da habe ich mir mehr erwartet. Aber irgendwie scheint die sympathische Beate Meinl-Reisinger nicht so richtig in die Gänge zu kommen. Ob ihr da der Ex-Kurier-Chef Brandstätter die dringend benötigte Hilfe bringt? Die Neos haben derzeit eine massive Sinn- und Positionierungskrise. Sie müssen kreativer und liberaler als die ÖVP sein. Das ist ­gegen Kurz schwer und in den anderen Parteilagern oder jungen Neuwählern fischen sie noch zu wenig erfolgreich. Ich fürchte, sie bleiben einstellig und sind damit für Kurz kein ausreichend starker Punktepartner.

FPÖ: Die Opfer-Täter-
Umkehr gelingt

Wo ist der Chef? Das wird noch spannend! Erstens, weil Ibiza zunehmend in „Vergessenheit“ gerät und den Blauen die Opfer-Täter-Umkehr gut gelingt. Alle suchen jetzt den Verräter, der das Schandvideo in die Öffentlichkeit brachte, als wäre das der Täter! Keinen interessiert mehr, was im Video dokumentiert wurde! Strache ist plötzlich nur mehr Opfer! Und dann Kickl! Kurz hat sich ja festgelegt: keine Koalition mit ihm als Minister. Wie geht Hofer damit um? Wo ist er, der Chef, überhaupt? Gibt es tatsächlich eine Spaltung in der FPÖ, wenn Kickl fallen gelassen würde? Jedenfalls werden die Blauen besser abschneiden, als es derzeit die Umfragen voraussagen, weil viele in der Wahlzelle doch wieder „heimlich“ ihre FP wählen, ohne es den Meinungsforschern zuvor verraten zu haben.

SPÖ: Drama heißt noch immer Christian Kern

Traurige Figur. Das ganze Drama hat einen Namen und der heißt Christian Kern. Was wird er seiner Partei noch alles antun? Der erfolgloseste und kürzeste SP-Kanzler aller Zeiten gebärdet sich, als säße er am Balkon der Muppets Show und desavouiert mit seinen ungefragten Zurufen seine eigene Kandidatin. Was für eine traurige Figur! Dabei entwickelt sich Pamela besser, als ihre ersten Auftritte befürchten ließen. Sie wäre eine erstklassige Vizekanzlerin und brächte die SPÖ wieder in die Regierung. Jene Genossen, die vor lauter Kurz-Hass sich das gar nicht vorstellen können, sollten lieber schweigen oder sich mit einer zukünftigen, in die Bedeutungslosigkeit entschwundenen SP, abzufinden beginnen.

ÖVP: Sicherer Sieger, aber was dann ...?

Lack ab. Sebastian Kurz wird trotz Schredderkrisen, Spenden und Anpatzereien nicht wirklich geschwächt in die Wahl gehen. Zu fest steht da seine große Fangemeinde beisammen, was ja alle Umfragen bestätigen. Er wird in 22 TV-Diskussionen brillieren, weil ihm rhetorisch und dialektisch derzeit niemand das Wasser reichen kann. Also wird er wohl – auch ohne große Themen – wieder Wahlsieger, aber was dann? Für die großen Themen der Republik wie Pensionen, Pflege und Steuerentlastung braucht er die SPÖ. Nochmals FPÖ-Koalition mit eventuell einem FP-Klubobmann Kickl als ständigem Rachedurstigen im Nacken, steht er vielleicht gerade mal zwei Jahre durch. Dann, nach einem zweiten Scheitern mit den Blauen, wäre auch sein Lack ab. Und Österreich hätte abermals verloren.

 

Wolfgang 
Rosam, Polit- & Medienprofi

Wolfgang Rosam führt mit Silvia Grünberger die ­Agentur Rosam. Grünberger Change Communications, die sich auf „komplexe und sensible“ Kommunikationsaufgaben spezialisiert hat, die sich im „Dreieck Wirtschaft, Politik und ­Medien“ bewegen. Darunter fallen auch Lobbying und politische Beratung. In seinem „Nebenjob“ als Gourmet gibt Rosam das Magazin Falstaff heraus.

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