Weltpolitik

Türkische Oppositionspolitikerin Kaftancioglu wieder frei

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CHP-Politikerin kurzzeitig in Hochsicherheitsgefängnis.

Die türkische Oppositionspolitikerin Canan Kaftancioglu ist nach kurzer Haft wieder freigekommen. Kaftancioglu war am Dienstag nach Angaben aus ihrer Partei CHP in das Hochsicherheitsgefängnis Silivri bei Istanbul gebracht worden. Dort wurde sie am Abend freigelassen. Die 50-Jährige war bereits 2019 wegen einer Reihe von Vorwürfen verurteilt worden. Sie soll unter anderem "Terror-Propaganda" verbreitet und Präsident Recep Tayyip Erdogan beleidigt haben.

Mitte Mai war die Verurteilung bestätigt und die Gefängnisstrafe auf vier Jahre und elf Monate festgelegt worden. Die Politikerin der linksnationalistischen CHP darf weder bei den Parlaments- noch bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr antreten. Die CHP ist die zweitgrößte Partei im türkischen Parlament.

SPÖ-Menschenrechtssprecher Harald Troch kritisierte das Vorgehen der türkischen Justiz in einer Aussendung am Mittwoch scharf: "Das politisch motivierte Urteil gegen Oppositionelle Canan Kaftancıoglu ist und bleibt ein Skandal! Es ist auch ein weiterer schwerer Schlag gegen das Recht auf eine freie Meinung aller Türkinnen und Türken." Das Urteil belege einmal mehr, wie verheerend es um die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei stehe.

Die Vorwürfe gegen Kaftancioglu, CHP-Chefin in der Provinz Istanbul, bezogen sich in erster Linie auf Einträge im Online-Dienst Twitter in den Jahren 2012 bis 2017. Die heute 50-Jährige hatte unter anderem den Tod eines 14-Jährigen durch eine Tränengas-Granate bei den regierungskritischen Gezi-Park-Protesten im Jahr 2013 kritisiert.

Am 12. Mai hatte das Oberste Berufungsgericht der Türkei die Verurteilung von Kaftancioglu bestätigt. Am 21. Mai nahmen zehntausende Menschen in Istanbul an einer Solidaritätsdemonstration für die Politikerin teil.

Kaftancioglu hatte eine zentrale Rolle beim Sieg der Partei bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul im Jahr 2019 gespielt. Die überraschende Wahl des CHP-Politikers Ekrem Imamoglu war eine empfindliche Niederlage für Erdogan und dessen islamisch-konservative AKP.

Imamoglu muss sich am Mittwoch vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, Staatsbedienstete beleidigt zu haben. Ihm drohen bis zu vier Jahre Haft.

Aktivisten und internationale Organisationen werfen Erdogan regelmäßig vor, die Justiz als politisches Werkzeug zu gebrauchen, insbesondere seitdem nach dem gescheiterten Putsch 2016 tausende Richter abgesetzt wurden.

Ende April war bereits der Kulturförderer Osman Kavala zu lebenslanger Haft verurteilt worden, was international scharf kritisiert wurde. Der Geschäftsmann soll durch Finanzierung der Gezi-Park-Proteste und Beteiligung am Putschversuch den Sturz der Regierung geplant haben.

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