Wolfgang Fellner

Das sagt Österreich

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Graf ist Vergan­genheit, wir wollen Zukunft

Unsere Sorgen möchten andere Länder gern haben: Ganz Europa bebt unter der Euro-Krise – aber Österreich diskutiert seit Tagen nur über einen Politiker, der als Vorstand einer Mini-Stiftung als Erbschleicher verdächtigt wird und sich als „Rechtsanwalt“ ausgab, obwohl er nur ein „Anwärter“ war.

Um nicht missverstanden zu werden: Der „Fall Graf“ gehört restlos aufgedeckt. Es zeigt die grauenvolle politische Moral in diesem Land, wenn der Präsident des Nationalrats im Nebenjob verdächtigt wird, einer alten Oma in ihrer Stiftung Millionen veruntreut zu haben.

Und wenn er gleich elf Mal als „Rechtsanwalt“ kandidiert hat, obwohl er keiner war. Ein solcher potenzieller Erbschleicher, Schwindler oder Münchhausen wäre in jedem Land längst zurückgetreten.

Bei uns mauert ihn seine Partei wie eine Mumie ein, jammert, dass vor lauter Graf-Erregung keine Zeit für EU-Themen bleibt.

Schluss mit Erbschleicher-Theater, es gibt wichtigere EU-Themen

Selbst schuld – von der Politik wäre seit Langem ein Zukunftskonzept für die EU gefragt. Es kann doch nicht wahr sein, dass wir jedes Jahr 500 Milliarden Euro in Pleite-Staaten und bankrotte Banken pumpen – aber nach wie vor nicht die zwei Alternativen offen auf den Tisch gelegt werden. Die EU steht definitiv vor der Entscheidung: Entweder der Euro-Raum wird auch eine gemeinsame politische und wirtschaftliche Union – mit einer demokratisch gewählten Führung, mit gemeinsamer Finanz- und Steuerpolitik, mit einem gemeinsamen Budget und einer gemeinsamen Banken-Aufsicht …

… Oder aber wir geben den Euro verloren, kehren wieder zu nationalen Währungen und nationalen Wirtschaftsräumen zurück. Denn: Es können auf Dauer nicht starke Staaten die schwachen finanzieren, ohne vergleichbares System.

Die EU steuert also auf die große Entscheidung zu: ein gemeinsames Europa (so wie die USA) – oder verschiedene Währungen.

Das ist das große Thema, dem wir uns jetzt stellen müssen – und nicht die „Causa Graf“. Der Herr „Präsident Münchhausen“ soll endlich abtreten und den Platz in den Medien freimachen für die Zukunftsthemen. Graf ist (im negativen Sinn) Vergangenheit. Tschüss.

Schicken Sie Ihre Meinung an: wolfgangfellner@oe24.at

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