Ein Kommentar von oe24- und ÖSTERREICH-Chefredakteur Niki Fellner.
Sebastian Kurz kann mehr als zufrieden sein: Kaum ein Bereich des 326-Seiten-Regierungspakts, der nicht seine türkise Handschrift trägt.
Bei der Migration ist das neue Programm quasi eine Weiterführung von Türkis-Blau. Rückkehrzentren, Sicherungshaft oder eine Bundesagentur für Asyl könnten genauso gut aus der Feder des grünen Feindbilds Herbert Kickl stammen. Dazu kommen viele langjährige ÖVP-Wünsche wie das Kopftuchverbot bis 14 und verpflichtende Deutschkurse. Als i-Tüpfelchen hat sich Sebastian Kurz sogar noch einen „koalitionsfreien Raum“ im Falle einer Asyl-Krise hineinverhandelt. Das heißt nichts anderes als: Kommt’s wirklich hart auf hart, kann die ÖVP mit der FPÖ eine Hardcore-Asyl-Politik beschließen, ohne das Regierungsabkommen zu brechen. Einmalig in der Geschichte der 2. Republik.
Im Kapitel Steuern & Budget hat die ÖVP ihre fertig ausgearbeitete Steuerreform 1:1 in den Regierungspakt kopiert. Nulldefizit und Schuldenbremse sind aus dem ÖVP-Wahl-Programm übernommen.
Sogar bei der Sozialpolitik (!) hat sich die ÖVP durchgesetzt. Dass die wichtigste Maßnahme gegen Kinderarmut die Anhebung des von Kurz erfundenen Familienbonus ist, sagt alles. Die Mindestsicherung wurde ganz ausgespart (sie bleibt so wie von der ÖVP in der Vorgängerregierung beschlossen) und die Pflegeversicherung war sowieso eines der zentralen Wahlversprechen von Kurz.
Bleibt der Klimaschutz, wo sich die Grünen zumindest rühmen können, dass er das umfangreichste Kapitel des Programms ausmacht. Aber selbst hier hat Kurz die von der ÖVP-Klientel gefürchtete CO2-Steuer mit einer Taskforce auf den St.- Nimmerleinstag verschoben.
Fazit: Dieses Programm ist türkis-türkis mit grünen Farbtupfern beim Klimaschutz (die der ÖVP aber nicht wehtun). Für Kurz ein Erfolg auf ganzer Linie, er hat de facto alle seine Wahlversprechen gehalten. Für die Grünen werden die nächsten fünf Jahre hingegen ein Kampf mit dem eigenen Gewissen.