Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.
In Deutschlandist der Wahlkampf eine Woche vor der Entscheidung eingeschlafen. Die Favoritin, Angela Merkel, hat diese Schnarchstimmung provoziert, weil sie damit ihre Wiederwahl schaffen will: nur keine TV-Duelle, keine Aufreger, keine Fehler. Niemand weiß, wie sich diese Lethargie auf das Wahlergebnis auswirken wird. Werden die Merkel-Wähler zur Wahl gehen, die demoralisierten SPD-Wähler eher nicht? Und wie wird sich die Wutstimmung auswirken – in einem Erdrutsch für die rechte AfD? In einem Megawahlsieg für die Kanzlerin?
Bei uns in Österreichist die Situation anders. Wir erleben gerade den spannendsten Wahlkampf der Republik: viele TV-Duelle, viele Aufreger, enormes Interesse, Rekordquoten.
Sebastian Kurz versucht, dem Merkel-Wahlkampf zu folgen: keine Aufreger, keine Fehler, nur keine Wellen. Seine Auftritte sind beste PR – mit Tausenden Fans. Die TV-Duelle sind ihm unangenehm – aber er ist auch TV-Liebling, obwohl er in diesem Medium schwächer wirkt als Kern und Strache.
HC Strache versuchtdie Gegenstrategie. Er ist angriffig, aggressiv. Strache will die Wutbürger sammeln. Aber wie viele Wutbürger gibt es in einem Land, in dem die Wirtschaft gerade um 2,9 % wächst und die Mehrheit glaubt, dass es ihr im nächsten Jahr besser geht?
Christian Kern setztgenau auf diesen Trend. Er will den Wählern in den folgenden 40 TV-Auftritten einimpfen, dass Österreich mit ihm einen Wirtschaftsboom erlebt und jeder profitieren wird. Er tut das leise, sympathisch, Kanzler-like – aber es fehlt die Dynamik, der Drive eines Wahlkampfs.
Im Moment sprichtalles für Kurz – erstmals gibt es im Duell zwischen Wutangreifer und Regierungsverteidiger einen Kandidaten der Mitte, der den Neustart ansagt, aber (als fehlerloser Außenminister) auch regieren kann.
Das macht Kurz (vorerst) unschlagbar. Strache und Kern müssten im Wahlkampf viel offensiver werden, wenn sie Kurz vor dem Ziel noch abfangen wollen. Ob sie das schaffen?