Skandal-Läuferin ekhrt an ihren "Schicksalsort" zurück.
Wenn es einen Schicksalsort für Caster Semenya gibt, dann ist es das Berliner Olympiastadion. Dort wurde die Südafrikanerin vor genau einem Jahr Weltmeisterin über 800 m, aber dort nahm auch eine der spektakulärsten Affären der Leichtathletik-Geschichte ihren Lauf: Zunächst wurde ihr Geschlecht angezweifelt, dann folgten mehrere Untersuchungen und eine elf Monate lange Wartezeit. Am Sonntag kehrt die 19-Jährige ins Olympiastadion zurück und bestreitet beim ISTAF den dritten Wettkampf nach der Wiedererteilung ihrer Starterlaubnis.
"Freie mich auf Berlin"
Ein mulmiges Gefühl hat sie
dabei nicht, eher das Gegenteil ist der Fall. "Ich freue mich schon auf das
wunderschöne Stadion und das Berliner Publikum", sagte Semenya. Diese
Aussage aus einer Mitteilung des ISTAF ist eine der wenigen, die es
überhaupt gibt von ihr. Bis zur Pressekonferenz am Freitag in Berlin wurde
Semenya weitgehend abgeschirmt vom Medienrummel. Das vergangene Jahr war
hart und zeitweise entwürdigend genug für sie. Trotzdem behauptet die
19-Jährige: "Ich habe diese ganze Sache schon lange vergessen."
Neuanfang
Sie verzichtet auch ausdrücklich auf eine
Schadenersatzklage gegen den Weltverband IAAF. Ihre bisherigen Starts in
Lappeenranta und Lapinlahti in Finnland und auch ihren großen Auftritt in
Berlin sieht Semenya vielmehr als "neuen Anfang. Ich muss jetzt sehen, dass
ich gute Rennen bestreite, um an meine früheren Leistungen anknüpfen zu
können."
Viele Rätsel und Geheimnisse
Viele Beobachter haben Zweifel,
dass ihr das jemals gelingt. Vor einem Jahr bei der WM lief sie die 800 m in
1:55,45 Minuten, im Juli brauchte sie beide Male weit über zwei Minuten
dafür. Dass zwischen den Geschlechtstests und dem Urteil des Weltverbandes
IAAF mehrere Monate lagen, nährt neue Zweifel und Spekulationen: Was haben
die Tests wirklich ergeben? Wie wurde Semenya behandelt? Dazu sagt niemand
etwas. Ihr Trainer Michael Seme ist stattdessen bestrebt, sie in die
Normalität zurückzuholen, sie laufen zu lassen - und die Erwartungen an sie
im Zaum zu halten. Es sei noch ein langer Weg bis zu der Form, die sie zur
Weltmeisterin gemacht habe, meinte ihr Coach.
Zugpferd
Trotzdem: Semenya ist allein aufgrund ihrer Geschichte
ein Zugpferd. Bei ihrem Comeback-Meeting in Lappeenranta waren ihretwegen so
viele Medienvertreter wie noch nie. Und auch in Berlin wollen mehr Zuschauer
die Südafrikanerin sehen als etwa den Stabhochsprung-Olympiasieger Steve
Hooker aus Australien. Ihr Saisonhöhepunkt sollen die Commonwealth-Spiele im
Oktober in Indien sein, aber emotional werden die kaum an das ISTAF
heranreichen. Dort ein Jahr nach ihrem WM-Sieg bejubelt statt von Zweifeln
verfolgt werden - das würde zur Geschichte von Semenya und dem
Olympiastadion passen.