Analyse von Polit-Experte Robert Misik

Wo bleiben die Inhalte? Am 29.9. Hoffnung wählen

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Den Parteien fehlt es an Ideen und Botschaften, die begeistern. 

Dieser Wahlkampf hat bisher nur Angst vor einer ungewissen Zukunft zu bieten. Typischer Negativismus? „In jedem Österreicher steckt ein Massenmörder“, sagte Thomas Bernhard einmal, womit wohl gemeint war, dass wir alle ein bisschen fies, gemein, neidig und niederträchtig wären. Der Übertreibungskünstler Bernhard hat damit gemeint, dass ­Negativismus für Volk und Land „typisch“ sei.

Sind wir strukturell konservativ? Gern wird auch behauptet, Österreichs Nationalcharakter sei „strukturell konservativ“. Aber die angeblich „strukturell konservativen“ Österreicher ­haben Bruno Kreisky drei Mal absolute Mehrheiten für seine Botschaft „Hoffnung“ verschafft.

Veränderung und Hoffnung, Übrigens: Barack Obama hat zwei Mal hintereinander die US-Wahlen mit fulminanten Mehrheiten gewonnen, mit den Botschaften „Change“ und „Hope“, also „Veränderung“ und „Hoffnung“. Wohlgemerkt, von denselben Amerikanern, die dann beim nächsten Mal den Horrorclown Donald Trump wählten. Mal gewinnt der, mal gewinnt ein anderer. Aber es ist ja immer mehr oder minder das gleiche Volk, das wählt.

Weder ÖVP noch SPÖ 
bieten ein Zukunftsbild

Was wird angeboten? Es hängt doch ein wenig davon ab, was überhaupt zur Auswahl steht. Also: die Kandidaten, die Parteien, aber vor allem auch die Botschaften und damit die Politik, die die Parteien anbieten.

Die ÖVP bietet gar nichts an. Sebastian Kurz verspricht „Zeit für Neues“ (bei der letzten Wahl) oder jetzt „Unser Weg hat erst begonnen“ oder „Unseren Kurs der Veränderung fortsetzen“.

Es geht nur um Machterhalt. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass da nie dazugesagt wird, um welchen Kurs es sich handelt? Nix. Niente. Große Leere. Eigentlich geht’s nur darum, an der Macht zu bleiben. Bei der FPÖ geht’s sowieso immer nur gegen „die Ausländer“ oder „das System“.

Warum sollen wir wählen? Die SPÖ hat auch kein begeisterndes Zukunftsbild, sondern sagt seit Jahren schon „wählt’s uns, denn mit uns wird es langsamer schlechter“. Die Grünen sollen wir wählen, damit wir nicht alle sterben, etwa an der Klimakatastrophe. Und die Neos wollen das alles kontrollieren, also Transparenz.

Zu viel Pessimismus und viel zu wenig Optimismus

Keine Hoffnung im Angebot. Irgend ein positives Zukunftsbild, bei dem man für „Hoffnung“ stimmen kann, ist überhaupt nicht in Angebot. Keiner sagt: Wählt uns, weil wir haben wirklich Gutes vor. Das hat mit dem herrschenden Zeitgeist zu tun. Es gibt wenig Optimismus und viel Pessimismus. Kaum jemand hat das Gefühl, dass es uns in den nächsten Jahren besser gehen wird. Viele, dass es für sie nur darum geht, dass es nicht schlechter wird.

Wo ist eine Partei, die einen Plan für das Morgen hat?

Realistische Weltverbesserer. Stellen wir uns vor, es gäbe so etwas wie „realistische Weltverbesserer“. Die sagen: Das muss nicht sein, dass nur die Reichen immer reicher werden und für alle anderen wird’s knapper. Wir haben da einen Plan, wie wir wieder mehr Arbeitsplatz­sicherheit herstellen, Vollbeschäftigung, mehr Wohlstand, den wir auch gerecht verteilen. Ordentliche Mindestlöhne. Mit den Steuern, die wir einnehmen, organisieren wir die besten Schulen, und wir bauen wieder tolle billige Gemeindebauten, wie früher im „Roten Wien“.

Die Angst vor dem Absturz nehmen. Politiker, die sagen: Auch die einfachen Leute ­haben Respekt verdient. Wir schauen darauf, dass es für alle wieder Sicherheit gibt und keiner Angst haben muss, abzustürzen. Und wir haben Schwung, weshalb wir sicher sind, dass es in ein paar Jahren allen besser geht. Auch für die Klima­krise haben wir einen Plan, damit wir in unseren Städten nicht demnächst wie in einem Kochtopf leben müssen. Und wir schaffen auch mehr Freiheit für die Bürger, damit jeder aus seinem Leben etwas machen kann, damit sich auch nicht alles um den Kommerz dreht, und jeder und jede auf jeweils seine/ihre Art glücklich werden kann.

Fortschritt in jeder Form. ­Politiker also, die glaubhaft das verkörpern, was man früher „Fortschritt“ nannte. Ökonomischen Fortschritt (Wohlstand), sozialen Fortschritt (Sicherheit), gesellschaftlichen Fortschritt (mehr Demokratie, mehr Freiheit, mehr Liberalität).

Wahl zwischen Bewahren und dem Fortschritt

Keine Streithansel-Politik. Dann wird es immer noch genügend Leute geben, die sagen: Wir wollen eigentlich, dass alles bleibt, wie es ist. Dann könnte man zwischen klaren Alternativen wählen: Verbesserung und Fortschritt auf der einen ­Seite, Bewahren auf der anderen Seite. Verglichen mit unserer Streithansel-Politik und dem Schüren von Hass und niedrigen Instinkten wäre das doch gar nicht so schlecht, oder?

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