Moralisch vertretbar?

2,1 Millionen teuer: Pharmafirma "verlost" wichtiges Medikament

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Mit einer 2,1-Millionen-Dollar-Spritze können an einem Gendefekt leidende Kinder behandelt werden - nun will der Pharmakonzern 100 Spritzen verlosen. Kritik kommt auch von Wiens Ärztekammerpräsident.

Mit einem Preis von 2,1 Millionen Dollar (1,9 Millionen Euro) in den USA ist Zolgensma eines der teuersten Medikamente der Welt. Es handelt sich um eine Form von Gentherapie. Eine einmalige Dosis soll Kindern mit Spinaler Muskelatrophie helfen. Mit dieser seltenen Erkrankung kommt etwa eines von 10.000 Neugeborenen auf die Welt. Auslöser ist ein Gendefekt, der dazu führt, dass die Nerven im Rückenmark die Muskeln nicht ausreichend versorgen. In den USA ist Zolgensma für Kinder bis zwei Jahre seit Mai zugelassen, bis Ende September wurden laut Novartis rund hundert Patienten damit behandelt. Für Deutschland und die EU rechnet Novartis mit 50 potenziellen Patienten und der Zulassung im ersten Quartal 2020.
 

Kritik an Aktion

Novartis steht wegen der immens hohen Kosten für das Medikament in der Kritik, der Schweizer Pharmakonzern hat nun angekündigt, 100 Spritzen zu verlosen. Dabei handelt es sich um eine umstrittene Marketingaktion. Viele User beklagen, dass es eine solche Aktion ungerecht sei und dabei mit den Leben der jungen Patienten gespielt wird. Andere loben hingegen die Aktion des Pharmakonzerns, kritisieren allerdings die Tatsache, dass die Krankenkassen nicht für die Kosten aufkommen.
 
Die Verlosung zeige auch "die Grenzen des Gesundheitssystems auf", schreibt dazu auch Dr. Thomas Szekeres, der Präsident der Wiener Ärztekammer. Und der Top-Mediziner stellt die Frage in seinem Blog: "Wen kann man ausschließen? Können sich Staaten Gesundheitssysteme leisten, wo alle betroffenen Menschen kostenfreien Zugang zu allen Medikamenten erhalten, die sie eigentlich bekommen müssten?"
 
Präsident der Ärztekammer Thomas Szekeres: Negativer Corona-Test kein 'Freibrief zum Party feiern'
© APA
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In den vergangenen Jahren - angefangen mit den Hepatitis C-Medikamenten, welche erstmals eine Ausheilungsrate von fast hundert Prozent brachten - haben sich regelmäßig heftige Debatten über den Preis für solche innovativen Therapien ergeben. Ein Beispiel dafür ist auch CAR-T-Zelltherapie bei manchen Leukämieformen mit ursprünglichen Listenpreisen von rund 320.000 Euro pro Patient. Diese Preise unterliegen aber Verhandlungen mit den Spitälern, welche die Behandlung verabreichen.
 
Pharmakonzerne kaufen derzeit regelmäßig für Milliardensummen forschungsorientierte Biotech-Unternehmen auf oder beschaffen sich die Entwicklungsrechte für neue Behandlungsformen. Das soll dann über die patentgeschützten Medikamente bzw. Therapien gewinnbringend refinanziert werden. Hier ergibt sich automatisch ein Spannungsfeld, wenn selbst die solidarisch aufgebauten Gesundheitssysteme der reichsten Länder Europas sprichwörtlich zu "ächzen" beginnen. Ohne Finanzierung durch das Gesundheitswesen der einzelnen Länder blieben die Konzerne aber auf ihren Produkten sitzen, da die Therapien privat de facto nicht bezahlbar sind.

AveXis: "Das Programm ist keine Lotterie"

"Das Programm als Lotterie abzutun, wäre zu einfach", meint AveXis. "Die kostenlose Abgabe des Arzneimittels von AveXis erfolgt nach einem dreistufigen Auswahlverfahren, das wiederum auf Grundlage der Prinzipien der Fairness, des klinischen Bedarfs und der globalen Zugänglichkeit entwickelt wurde. Basis sind medizinische und fachliche Beurteilungen. Diese finden in drei Etappen zu verschiedenen Zeitpunkten statt. Die erste Beurteilung wird vom Facharzt im Sprechzimmer vorgenommen. Dieser entscheidet, ob die Therapie mit AVXS-101/Zolgensma für den kleinen Patienten überhaupt sinnvoll ist. Dann müssen die rechtlichen und regulatorischen Grundlagen in dem jeweiligen Land überprüft werden, um die Therapie in dem jeweiligen Land machen zu dürfen. Und zuletzt muss auch das betroffene Kind medizinische Bedingungen erfüllen, damit die Therapie überhaupt Erfolg haben kann. Erst nach dieser medizinischen Beurteilung erfolgt eine verblindete Auswahl, damit kein Kind gegenüber einem anderen bevorzugt wird und eine möglichst gerechte weltweite Verteilung erreicht wird", so AveXis im Statement gegenüber oe24.at.
 
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