Nach Protesten

Ägypten: Verfassungsgericht stellt Arbeit ein

Teilen

Referendum über Verfassung  für 15. Dezember angekündigt.

Das ägyptische Verfassungsgericht hat nach Demonstrationen von Islamisten seine Arbeit auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Die Proteste seien ein "psychologischer Mordanschlag", hieß es am Sonntag in einer Erklärung des Gerichts. Die Richter würden ihre Arbeit erst wieder aufnehmen, wenn der Druck auf sie beendet werde.

Mehrere Hundert Islamisten hatten am frühen Morgen vor dem Gerichtsgebäude demonstriert und lautstark eine "Säuberung der Justiz" gefordert. Medienberichten zufolge vertagten die Richter daraufhin das Verfahren über die Rechtmäßigkeit der von Islamisten dominierten Verfassunggebenden Versammlung und der zweiten Parlamentskammer.

Der Graben zwischen Anhängern und Gegnern des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi scheint sich weiter zu vertiefen. Allein in Kairo gingen am Wochenende Hunderttausende Menschen sowohl für als auch gegen den Staatschef sowie den umstrittenen Verfassungsentwurf auf die Straße.

Hunderttausende Islamisten demonstrierten am Samstag an der Universität von Kairo für Mursis Machterhalt. "Die Muslimbruderschaft unterstützt Mursis Entscheidungen", war auf Schildern zu lesen. Unter den Demonstranten waren viele verschleierte Frauen und Anhänger der Salafisten. "Das Volk fordert die Anwendung von Gottes Gesetz", skandierten sie. Die Menge hielt ägyptische Flaggen und Bilder von Mursi in die Höhe, nachdem sie ein Massengebet abgehalten hatte.

Kundgebungen für Mursi gab es auch in der zweitgrößten Stadt Alexandria und in der zentralen Provinz Assiut. Mursis Anhänger sehen in dem am Freitag angenommenen Verfassungsentwurf eine Garantie für Stabilität inmitten einer schweren politischen Krise. Der Opposition werfen sie vor, die Errungenschaften der Revolte von 2011 aufs Spiel zu setzen. Liberale, Laizisten und die koptischen Christen hatten die Arbeit der von Islamisten beherrschten Verfassungsgebenden Versammlung boykottiert.

Das Verfassungsgericht setzte seine Arbeit wegen anhaltender "psychologischer und materieller Pressionen" aus. Die Entscheidung der Verfassungsrichter wurde am Sonntag bekannt gegeben, nachdem Anhänger Mursis die Richter daran hinderten, zu Beratungen zusammenzukommen. Aus Justizkreisen verlautete, dass sich die Richter nicht einmal treffen konnten, da sie wegen Hunderter Demonstranten nicht ins Gebäude gelangten. Viele Demonstrierende hatten sich in Decken gehüllt, da sie die Nacht dort verbracht hatten. "Der Wille des Volkes ist stärker als der Wille von ein paar Richtern", rief ein 39-jähriger Mann.

Das Gericht hatte im Sommer eine frühere Verfassungsversammlung als unrechtmäßig aufgelöst. Um eine erneute Auflösung zu verhindern, hatte Mursi am 22. November in einem umstrittenen Dekret der Justiz die Auflösung der Versammlung und des ebenfalls von den Islamisten dominierten Oberhauses verboten.

Auf dem zentralen Tahrir-Platz in Ägyptens Hauptstadt harrten am Wochenende weiterhin Hunderte Gegner Mursis aus, die sowohl das Dekret als auch die Verfassung ablehnen, die in ihren Augen die Vorherrschaft der Islamisten zementiert. Der Verfassungsentwurf wurde unterdessen am Samstagabend Mursi übergeben, der für den 15. Dezember ein Referendum über den Text ansetzte. Die Opposition hat zum Boykott des Referendums aufgerufen.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.