Schlechtes Ergebnis

Hessen-Wahl: Debakel für Faeser

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Die SPD mit Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser als Spitzenkandidatin steuert mit 15,2 bis 15,9 Prozent (19,8) auf ein historisch schlechtes Landesergebnis zu.

Wiesbaden. Bei der Landtagswahl in Hessen ist die CDU mit Abstand stärkste Kraft geworden. Laut ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF vom Sonntagabend liegen die Christdemokraten von Ministerpräsident Boris Rhein deutlich vor dem Koalitionspartner Grüne, der SPD und der AfD, die sich ein knappes Rennen um den zweiten Platz liefern - mit leichtem Vorsprung für die AfD. Der Wiedereinzug der FDP in den Landtag steht auf der Kippe. Die Linke wird ihn voraussichtlich nicht schaffen.

Debakel für Faeser

Den Hochrechnungen zufolge steigert sich die CDU kräftig auf 34,7 bis 35,4 Prozent (Wahl 2018: 27,0). Die SPD mit Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser als Spitzenkandidatin steuert mit 15,2 bis 15,9 Prozent (19,8) auf ein historisch schlechtes Landesergebnis zu. Die mitregierenden Grünen verlieren ebenfalls und landen bei 15,4 bis 15,5 Prozent (19,8). Die AfD gewinnt deutlich hinzu und kommt auf 16,3 bis 16,8 Prozent (13,1). Die FDP nimmt nach diesen ersten Zahlen mit 5,0 Prozent (7,5) nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde, ihr Einzug in den Landtag ist unsicher. Die Linke rutscht ab auf 3,5 Prozent (6,3). Sie muss das Parlament in Wiesbaden voraussichtlich verlassen. Die Freien Wähler kommen auf 3,5 Prozent (3,0). Die Wahlbeteiligung wird mit 64,5 bis 65,5 angegeben - weniger als 2018 mit 67,3 Prozent.

Die CDU erhält demnach 44 bis 53 Sitze im Landtag. Die SPD kommt auf 20 bis 23, die Grünen erreichen 19 bis 23 Mandate. Die AfD bekommt 21 bis 25 Sitze, die FDP 6 bis 8. Damit wäre eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition möglich. Aber auch eine große Koalition aus CDU und SPD hätte eine Mehrheit.

Nehammer gratulierte der hessischen CDU

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) gratulierte der hessischen CDU zum "klaren Wahlsieg". "In Hessen hat unsere Schwesterpartei eine lange Tradition der politischen Verantwortung und hat sich immer als Kraft der Mitte für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger eingesetzt. Dieser Wahlsieg ist eine Bestätigung für die hervorragende Arbeit, die die CDU über die Jahre hinweg geleistet hat. Ministerpräsident Boris Rhein hat sich im Wahlkampf als kompetent, engagiert und bürgernah erwiesen. Seine Botschaften und politischen Ideen haben bei den Hessen Anklang gefunden und sind erneut der Beweis dafür, dass eine Politik der Mitte und für die Vielen am Ende des Tages von den Wählerinnen und Wählern goutiert wird", teilte der Kanzler via Aussendung mit.

NÖ-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner ließ per Aussendung wissen: "Gratulation an die CDU in Hessen und an Ministerpräsidenten Boris Rhein für das klare Ergebnis. Als Kraft der Mitte wurden sie deutlich gestärkt. Das Wahlergebnis ist auch ein deutliches Signal dafür, dass die Menschen in Deutschland das politische Experiment der Ampel-Koalition immer deutlicher ablehnen. Die Bürgerinnen und Bürger wollen Antworten auf die Fragen des täglichen Lebens - und keine Beschäftigung mit Randthemen, Zwängen und Verboten."

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte, das Abschneiden der CDU in Hessen sei ein "sensationelles Ergebnis". Boris Rhein sei ein toller Spitzenkandidat, der genau die richtigen Themen adressiert habe. CDU-Chef Friedrich Merz habe ihn unterstützt. Der Wahlkampf in Hessen habe eine Vorbildfunktion auch für den Bundestagswahlkampf.

"Wir sind heute Abend ausdrücklich nicht die Wahlsieger"

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bezeichnete das Ergebnis der parallelen Landtagswahlen in Hessen und Bayern als bitter für seine Partei und für die Ampel-Koalition. "Wir sind heute Abend ausdrücklich nicht die Wahlsieger", sagte Kühnert am Sonntag im ZDF. Kühnert stärkte der hessischen SPD-Spitzenkandidatin Faeser den Rücken. Ihre Autorität sei nicht beschädigt, sagte er. "Sie hat unseren klaren Rückhalt als Bundesinnenministerin" Und: "Da kann ich auch für die gesamte Parteispitze sprechen." Es sei ein landespolitisches Votum gewesen.

Die Linken-Politiker Sahra Wagenknecht forderte hingegen die Entlassung von Faeser als Deutschlands Innenministerin. "Wer in Wiesbaden scheitert, ist in Berlin fehl am Platz", sagte sie. Ihr Ministerium sei eines der wichtigsten und "die Flüchtlingskrise mindestens so dramatisch wie 2015", meinte Wagenknecht. "Hier braucht es an der Spitze keine Wahlverliererin, sondern maximale Handlungsfähigkeit." Wagenknecht erwägt die Gründung einer eigenen Partei. Ihre Position hat keine Mehrheit in der Linken, die für eine großzügige Flüchtlingspolitik eintritt.

Rund 4,3 Millionen Wahlberechtigte

Der Grünen-Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang bezeichneten die Wahlergebnisse ihrer Partei in Bayern und Hessen als stabil - trotz teils klarer Verluste. Die Grünen hofften, bei beiden Wahlen zweitstärkste Kraft zu werden, sagte Nouripour. In Hessen, wo CDU und Grüne bisher regierten, gebe es keine Wechselstimmung. Der "Ball liegt bei Boris Rhein", sagte Nouripour mit Blick auf den CDU-Ministerpräsidenten. Die Grünen stünden für Verantwortung.

Der Spitzenkandidat der hessischen AfD, Robert Lambrou, kündigte eine starke Oppositionsarbeit im Landtag an. Sehr viele Bürger in Hessen hätten zum ersten Mal AfD gewählt, sagte er. "Es ist ein enormer Vertrauensvorschuss, dem wir uns als würdig erweisen werden." Er freue sich auf die nächsten fünf Jahre im Landtag "mit einer ganz starken Stimme bürgerlich, konservativ, freiheitlich".

Die hessische FDP-Vorsitzende Bettina Stark-Watzinger führte das schwache Abschneiden ihrer Partei auch auf die Ampel-Koalition im Bund zurück. "Wir sehen natürlich, dass das Regierungshandeln aus Berlin auch auf die Landtagswahlen sich niederschlägt", sagte Stark-Watzinger, die auch Bundesbildungsministerin ist. "Alle drei Koalitionsparteien haben Einbußen hier in Hessen hinnehmen müssen."

Hessen seit 25 Jahren von der CDU regiert

Seit knapp 25 Jahren wird Hessen von der CDU regiert, seit fast zehn Jahren gemeinsam mit den Grünen - meist recht harmonisch. Derzeit hat die Koalition eine Mehrheit von nur einem Mandat. Ziel des Grünen-Spitzenkandidaten und derzeitigen Vize-Ministerpräsidenten Tarek Al-Wazir (52) sowie von SPD-Spitzenkandidatin Faeser (53) war es gewesen, Rhein (51) an der Spitze der Landesregierung abzulösen. Vor der Wahl hatte Faeser klargestellt, nur bei einem solchen Wahlsieg aus Berlin zurück in die Landespolitik zu wechseln. Als Bundesinnenministerin könnte Faeser jetzt trotz Kühnerts Versicherung angezählt sein.

Umfragen vor der Wahl deuteten nicht auf eine echte Wechselstimmung im Land, zeugten aber auch nicht von großer Zufriedenheit mit der schwarz-grünen Regierung. Ministerpräsident Rhein zeigte sich kürzlich im Gespräch mit der dpa offen für verschiedene Koalitionen. Das Bündnis mit den Grünen sei "sehr konstruktiv, sehr vertrauensvoll". Es gebe aber auch mit der SPD "durchaus die eine oder andere Gemeinsamkeit".

Spitzenthema fehlte im Wahlkampf

Ein klares landespolitisches Spitzenthema fehlte im Wahlkampf. Wichtig war aber auch in Hessen die Debatte um die Versorgung von Geflüchteten durch die Kommunen, die über Belastungen klagen. Faeser hatte jüngst verstärkte flexible Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Polen angekündigt. Ähnliche Forderungen kommen aus CDU und CSU seit längerem. CDU-Ministerpräsident Rhein etwa fordert - anders als sein grüner Vize Al-Wazir - bundesweite Grenzkontrollen gegen illegale Migration.

Rund 4,3 Millionen Wahlberechtigte waren in Hessen aufgerufen, ihre Kreuzchen zu machen. Insgesamt hat das Bundesland in der Mitte Deutschlands mehr als 6 Millionen Einwohner.

Gleichzeitig mit der Wahl in Hessen wurde auch in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Die beiden Abstimmungen gelten als wichtiger Indikator für die bundespolitische Lage.

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