Harte Bandagen

Bootcamps: So leiden Chinas Internet-Junkies

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Online-süchtige Teenies werden hart gedrillt - die Bilder aus den Camps.

Die chinesische Regierung geht hart gegen die Internet-Sucht vor, die sich zunehmend vor allem bei jungen Chinesen verbreitet. Rund 250 Bootcamps für Internet-Süchtige sind in den letzten Jahren entstanden. Sie sollen den Teenagern mit militärischer Disziplin eine Rückkehr ins normale Leben ermöglichen. Berichte über einen Todesfall und die, im Vergleich zu westlichen Entzugskliniken, harten Methoden haben aber einen dunklen Schatten über die Einrichtungen geworfen.

China baut Bootcamps gegen Online-Sucht

Flucht vor sozialem Erfolgsdruck
"Meine Eltern wollten, dass ich den ganzen Tag lerne", sagte ein Teenager im "Qide Education Center" in Peking der Nachrichtenagentur Reuters. Um dem Druck seiner Eltern zu entkommen, habe er sich in die virtuelle Welt gestürzt. "Ich wurde süchtig nach einem Online-Spiel, meine Schulnoten sind in den Keller gestürzt. Das Spiel hat mir dafür ein Gefühl des Erfolgs vermittelt, immer, wenn ich ein Level aufgestiegen bin", so der Teenie. Er gibt zu, einmal drei Tage ununterbrochen durchgespielt zu haben. Die meisten Camp-Insassen erzählen eine ähnliche Geschichte.

Harte Bandagen gegen die Sucht
In den Bootcamps sollen die online-süchtigen Burschen und Mädchen mit militärischen Methoden wieder in einen geregelten Alltag finden. Auf dem Programm stehen in erster Linie Drill und Leibesübungen. "Viele der Kinder sind in sehr schlechtem physischen Zustand", sagt Xing Liming, ein Mitarbeiter des "Qide Education Center". "Die militärische Umgebung vermittelt ihnen Disziplin und ermöglicht ihnen eine Rückkehr ins normale Leben." Kinder müssen im Camp auch beim Kochen helfen und ihre Wäsche selbst waschen. Für ein bisschen Unterhaltung im anstrengenden Camp-Alltag sorgt der Musik- und Tanzunterricht.

Todesfall im Anti-Internet-Camp
Nicht immer bringt eine Einweisung ins Bootcamp aber den gewünschten Erfolg. Eines der "Education-Center" in Peking wurde von einer Mutter verklagt. Die Sucht ihrer Tochter soll sich nach dem Aufenthalt im Camp noch verschlimmert haben. Und auch an den Methoden der "Therapeuten", unter denen sich auch Ex-Militärs finden, zweifeln Kritiker. Obwohl körperliche Bestrafung in den Einrichtungen eigentlich nicht erlaubt ist, werden die Teenies nicht mit Samthandschuhen angefasst. Einen Sturm der Entrüstung hat der Fall des 15-jährigen Deng Sanshans ausgelöst. Er überlebete 2009 keine 24 Stunden in einem (illegalen) Camp in Südchina. Seine Mörder wurden zu langen Haftstrafen verurteilt.

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