Krieg im Internet

Cyberspace - der Krieg der Zukunft

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Wieder Cyberattake auf Irans Atomanlagen - Internet als neuer Konfliktschauplatz

Die Zukunft des Krieges liegt im Internet. Kriege werden ausgefochten, ohne einen einzigen Schuss abzugeben: Hacker legen entscheidende Infrastruktur lahm und schalten ganze Armeen aus, ohne die eigene Zentrale zu verlassen. Dirigiert werden die Cyber-Heere der Zukunft von High-Tech-Staaten, die technologisch hochgerüstet um Macht und Einfluss kämpfen.

Dieses Szenario ist mehr als nur eine bloße Debatte unter Rüstungsexperten. Der jüngste Cyber-Einsatz gegen das iranische Atomprogramm hat eindrucksvoll demonstriert, was digitale Angriffe gegen physische Einrichtungen sogar in militärisch starken Staaten anrichten können. Das Internet könnte künftig zum zentralen Austragungsort von Konflikten zwischen Staaten werden: Experten sehen bereits ein neues Wettrüsten kommen.

Der Virus Stuxnet, dessen Existenz erstmals 2010 bekannt wurde, soll in den vergangenen Jahren Tausende Uranzentrifugen der Iraner in der streng bewachten Atomanlage in Natanz gestört haben. Das Streben der Islamischen Republik nach hoch angereichertem Uran, wie es für den Bau einer Bombe verwendet werden kann, dürfte um Monate oder gar Jahre zurückgeworfen worden sein.

US-Geheimdienst-Virus
Offiziell übernimmt die USA nicht die Verantwortung für Cyberattacken wie jene auf den Iran. In informellen Gesprächen mit der "New York Times" und der "Washington Post" schilderten hochrangige US-Offizielle zuletzt jedoch Details der Attacken auf Natanz. So wurde Stuxnet in enger Kooperation mit Israel entwickelt und bereits von US-Präsident George W. Bush in Auftrag gegeben. Der Zwilling des Virus, ein Spionage-Programm namens Flame, wurde erst im Mai entdeckt und sandte jahrelang geheime Daten, Passwörter und sogar heimliche Film- und Tonaufnahme von Computern im Nahen Osten zurück zum US-Geheimdienst NSA.

Der erste Einsatz von Cyberwaffen soll aber weit länger zurückliegen. Vorbereitungen des US-Militärs für einen "Krieg durch Informationstechnologie" wurden bereits Mitte der 1990er getroffen. Im Kosovo-Krieg kam die Technik laut damaligen Medienberichten erstmals zum praktischen Einsatz: So sollen US-Hacker die Radaranlagen der Serben gestört haben, um ungehindert Bombeneinsätze auf Belgrad zu fliegen. Der Luftkrieg galt in Militärkreisen als Erfolg: Die NATO meldete nur zwei abgeschossene Jets. Zuletzt richtete die USA 2010 mit dem "United States Cyber Command" (USCYBERCOM) eine eigene Stabsstelle ein, die der digitalen Landesverteidigung dient.

Ethnische Konflikte 2.0
Digital attackiert werden allerdings nicht nur Gegner der USA. Im Jahr 2007 kam es in dem kleinen Baltenstaat Estland zu Konfrontationen zwischen ethnischen Esten und der russischen Minderheit. In der Folge verübten Unbekannte von Russland aus massive Angriffe auf estnische Webseiten von Regierungsstellen, Parteien und Banken - für das digitale Vorzeigeland Estland ein besonderer Schock. Infolge der Attacke gründeten die Behörden in Tallinn eine eigene Cyber-Milizeinheit, in der IT-Techniker des Staates gemeinsam mit Sicherheitsexperten aus privaten Firmen trainieren, um künftige Attacken zu verhindern. Die estnische Regierung appelliert seither immer wieder an ihre Partnerstaaten in der NATO, ebenfalls bessere Cyber-Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.

Der Bedarf für Cyber-Verteidigung zeigen auch andere Vorfälle auf. So gab es massive Attacken auf Webseiten beider Staaten während des Krieges zwischen Russland und Georgien im Jahr 2008. Rätselhaft bleibt bis heute eine massive Attacke im Jahr 2004 in den USA. Dabei kam zu hunderttausenden automatisierten Spionageangriffen auf Militär- und Rüstungsfirmen. Die Operation, die unter dem Namen "Titan Rain" bekannt wurde, dürfte von chinesischem Boden ausgegangen sein. Allerdings gilt wie bei fast allen Cyber-Angriffen das "attribution problem", wie es in der englischen Fachsprache genannt wird: Die genaue Herkunft der Angreifer ist durch falsche Fährten und Tarn-Adressen kaum zu bestimmen.

Experten zufolge rüstet neben den USA besonders China digital auf. Die Cyber-Truppen in dem asiatischen Staat könnte 50.000 bis 100.000 Soldaten umfassen, schätzt der deutsche Sicherheitsforscher Sandro Gaycken in seinem Buch "Cyberwar". Die Grenzen zwischen Experten im Auftrag des Staates und privaten Hackern sind dabei fließend.

In Industriestaaten wird zunehmend vor Wirtschaftsspionage aus China gewarnt. Im Jahr 2009 wurde in den USA ein Spionagefall um den neusten US-Kampfjets F-35 bekannt, bei dem chinesische Hacker die Konstruktionspläne der in Entwicklung befindlichen Maschine gestohlen haben sollen - die Sicherheit des Flugzeuges sei kompromittiert, hieß es. Die Entwicklung des Jets verzögerte sich wenig später um mehr als ein Jahr, er ist nach wie vor in Entwicklung. Die Kosten für den Jet stiegen nach Schätzungen um mehr als die Hälfte auf 388 Milliarden US-Dollar (310 Mrd. Euro) an.

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Spekulationen gibt es auch über den Einfluss Chinas auf seine High-Tech-Unternehmen. Im Juni wurde der IT-Hersteller Huawei von Abgeordneten im Geheimdienst-Ausschuss des US-Kongress beschuldigt, Spionagesoftware der Regierung in Peking in ihre Geräte einzubauen. Er sei besorgt, die Systeme könnten zum gezielten Datendiebstahl genutzt werden, oder gar "die Voraussetzung für Cyber-Attacken herstellen", sagte der Ausschuss-Vorsitzende Mike Rogers, ein Republikaner. Es werde auch geprüft, ob sich die Chinesen durch subventionierte Exporte leichteren Marktzugang zu verschaffen versuchten.

Analysten warnen inzwischen, der ungenierte Einsatz von Cyberwaffen führe direkt in einen Cyberkrieg. Die USA stoppe zwar womöglich kurzfristig das Atomprogramm des Iran, längerfristig gebe es bei ähnlichen Aktionen auch für Staaten wie Russland und China kein Halten, urteilte etwa die britische "Financial Times". Das Bekanntwerden der Stuxnet-Attacke nehme den Amerikanern ihren strategischen Vorteil.

Schwer machen es die jüngeren Entwicklungen der internationalen Diplomatie. Versuche der Regulierung des Cyberspace im Rahmen der UNO seien bisher gescheitert, auch weil die Erwartungen grundverschieden sind, heißt es in einem neuen Papier des US-Thinktanks Council on Foreign Relations. Gerade die offensichtlichsten Schritte zur Vertrauensbildung zwischen den USA und etwa China schienen unmöglich, denn dazu müsse China aufhören, intellektuelles Eigentum der USA zu stehlen, und die USA müsse aufhören, den Cyberspace zu militarisieren.

Die britische Sicherheitsfirma QinetiQ sprach angesichts der mangelnden Bewegung bei einer diplomatischen Lösung gar vor einem "digitalen Kalten Krieg" der USA und westlicher Staaten mit Russland und China. Es erscheine klar, dass die Regierungen nicht zögerten, ihre Interessen durch die neuen Cyber-Methoden zu verfolgen. Freilich sind dann auch handfeste Auseinandersetzungen in der realen Welt als Folge möglich.

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