Nach Scheitern von Jamaika

Deutsche Grüne offen für Minderheitsregierung

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Scharfe Kritik an FDP und Werben um deren Wähler.

Die deutschen Grünen sind nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen bereit, sich an einer Minderheitsregierung zu beteiligen. Allerdings machte die Führung auf einem Parteitag am Samstag in Berlin deutlich, dass sie mit einem Verbleib in der Opposition rechnet. Die rund 800 Delegierten billigten mit großer Mehrheit die Kompromisse der Jamaika-Sondierungen.

"Wir Grüne sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und bleiben gesprächsbereit", heißt es im Beschluss des Parteitags zum Vorgehen nach dem Scheitern der Sondierungen. "Dies gilt auch für eine Beteiligung an Minderheitsregierungen." Angesichts der Überlegungen in der SPD über eine Neuauflage der Großen Koalition rechnete aber kaum ein Redner damit, dass die Grünen tatsächlich über eine Minderheitsregierung entscheiden werden müssen. "Mein Eindruck ist, dass die SPD nach acht Wochen Oppositionsbank doch wieder genug von der Opposition hat und zurückkehren wird in den Schoß der Kanzlerin", erklärte Parteichefin Simone Peter.

Für den Fall von Neuwahlen beschloss der Parteitag, nicht automatisch wieder mit Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt an der Spitze in den Wahlkampf ziehen. Stattdessen müsse ein Parteitag die Spitzenkandidaten bestimmen. In der Partei wird jedoch damit gerechnet, dass die beiden Politiker wieder diese Ämter besetzen würden.

Die beiden Spitzenkandidaten sowie die übrigen zwölf Mitglieder des Grünen-Verhandlungsteams bei den Sondierungen wurden für ihre Arbeit vielfach gelobt. So sagte der Delegierte Jan Philipp Albrecht aus Wolfenbüttel, er sei auf die Gruppe stolz. Ein Antrag aus dem Berliner Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg, in dem eine kritische Bilanz der Sondierungen gezogen und Abstriche an eigene Vorstellungen kritisiert wurden, wurde mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.

Özdemir rief seine Partei dazu auf, gezielt um FDP-Wähler zu werben. Die Grünen sollten sich um diejenigen FDP-Anhänger bemühen, die nicht antieuropäisch seien und vor allem den Staat zurückdrängen wollten. "Dem Teil würde ich gerne ein Angebot machen und sagen, die liberale Partei Deutschlands ist Bündnis 90/Die Grünen." Er warf der FDP erneut vor, die Sondierungen platzen lassen zu haben. "Für uns gilt nicht die Parole: erst die Partei, dann das Land." Kompromisse seien eine demokratische Tugend. Wenn FDP-Chef Christian Lindner Kompromisse für eine Demütigung halte, fehle es ihm offensichtlich an der Demut vor den Aufgaben.

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