Einigung

Deutschland plant Atomausstieg bis 2022

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Die acht ältesten Meiler bleiben vom Netz, so Umweltminister Röttgen.

Die Spitzen der schwarz-gelben Koalition in Deutschland haben sich auf einen Ausstieg aus der Atomenergie bis spätestens 2022 verständigt. Die acht älteren Atomkraftwerke (AKW) - inklusive Krümmel - bleiben vom Netz, sagte Umweltminister Norbert Röttgen in der Nacht auf Montag nach einer nächtlichen Koalitionsrunde im Berliner Kanzleramt. Sechs weitere Meiler sollten bis spätestens 2021 vom Netz gehen, die drei neuesten AKW dann 2022. Die Regelung entspreche insgesamt einer Restlaufzeit von 32 Jahren, die in der nächsten Dekade noch genutzt werden könnten. "Aber definitiv: Das späteste Ende für die letzten drei Atomkraftwerke ist dann 2022", betonte Röttgen.

Drei "Sicherheitspuffer"
Die drei Anlangen, die erst 2022 abgeschaltet werden sollen, werden als "Sicherheitspuffer" angesehen - für den Fall, dass es Probleme bei der Energiewende gibt. 2018 soll überprüft werden, ob bereits bis 2021 ein kompletter Ausstieg möglich ist - oder ob man den Puffer bis 2022 braucht.

Im Rahmen des am Montag beschlossenen Ausstiegs werden außerdem die sieben ältesten Atommeiler und das AKW Krümmel stillgelegt. Die sieben Alt-AKW waren Mitte März nach der Katastrophe von Fukushima aus Sicherheitsgründen mit dem Atom-Moratorium abgeschaltet worden. Eines dieser Kraftwerke soll allerdings bis 2013 in einer Art "Stand By"-Funktion gehalten werden, um bei Stromengpässen reagieren zu können. Welcher Meiler das ist, entscheidet die Bundesnetzagentur. Sie hatte errechnet, dass gerade im Süden Deutschlands im Winter bei zu wenig Solar- und Importstrom bis zu 2000 Megawatt fehlen könnten. Infrage kommen dem Vernehmen nach Philipsburg I oder Biblis B. Definitiv stillegelegt werden sollen Isar I, Neckarwestheim I, Biblis A, Brunsbüttel, Unterweser und Krümmel. Reststrommengenübertragungen von alten auf neue Meiler sollen weiter möglich sein.

Leise Kritik
Der frühere Umweltminister und heutige SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte diesen Plan fragwürdig. Er kenne kein Atomkraftwerk, dass man als Kaltreserve fahren könne. "Das sind Vorstellungen, die mit der technischen Wirklichkeit wenig zu tun haben", sagte Gabriel nach einem Gespräch am Sonntagabend mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Kanzlerin Merkel will nach Möglichkeit SPD und Grüne beim Atomausstieg mit einbinden. Noch am Sonntagabend führte sie daher Gespräche mit den Parteispitzen der Opposition. Gabriel erklärte, seine Partei sei zu einem Konsens bereit - aber zu klaren Bedingungen. Viele Fragen seien noch offen. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warnte vor neuen Hintertüren der Koalition beim Atomausstieg: "Die Hintertüren sind noch nicht zu".

Empfehlung der Ethik-Kommission
Der Regierungsplan für einen Ausstieg bis 2021/2022 liegt auf der Linie der Empfehlung der Ethik-Kommission zur Atomenergie, die nach der Kernschmelze im japanischen AKW Fukushima von Merkel eingesetzt worden war. Die Kommissionsvorsitzenden, der frühere Umweltminister Klaus Töpfer und der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Matthias Kleiner, übergeben in der Früh der Kanzlerin ihren Abschlussbericht. Die Kommission empfiehlt einen Atomausstieg bis spätestens 2021. Am Montagabend gibt es eine öffentliche Diskussion über den Bericht. Am Nachmittag beraten die Bundestagsfraktionen in Sondersitzungen über die Ausstiegspläne der Koalition und einen möglichen Konsens.

An der mit dem schwarz-gelben Sparpaket beschlossenen und zu Jahresanfang eingeführten Steuer auf Brennelemente hält die Koalition fest. Sie sollte dem Bund jährlich 2,3 Milliarden Euro einbringen. Werden aber wie jetzt beschlossen acht Kernkraftwerke vorzeitig abgeschaltet, verringern sich die Einnahmen auf etwa 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. In der Koalition war zeitweise eine Abschaffung geprüft worden, damit die Konzerne mehr Geld für Investitionen in Ökostrom-Projekte hätten. Allerdings hatte die Opposition scharf protestiert, dass ein Wegfall der Steuer eine Art neuer "Deal" mit den Atomkonzernen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall gewesen wäre.

Unumkehrbarer Prozess

Ausdrücklich betonte Röttgen, dass der Prozess unumkehrbar sei. "Es wird keine Revisionsklausel geben", sagte der CDU-Politiker mit Blick auf entsprechende Kritik der Opposition. Vorgesehen ist nun, dass ein Monitoringprozess die Fortschritte bei dem angestrebten Umstieg auf Erneuerbare Energien kontrollieren soll. Kriterien sollen dabei Bezahlbarkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit sein. Das Statistische Bundesamt, die Bundesnetzagentur, das Bundesumweltamt und das Bundeskartellamt sollen gemeinsam den Prozess überwachen und einen jährlichen  Bericht vorlegen. Das Wirtschaftsministerium wird zudem regelmäßig über Fortschritte beim Netzausbau berichten, das Umweltministerium über den Ausbau der Erneuerbaren Energien.

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