Schon mehr als 30.000 Tote

Erdbeben-Opferzahl in Türkei könnte sich auf mehr als 50.000 verdoppeln

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Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien wird die Zahl der Todesopfer nach Schätzungen der UNO möglicherweise noch auf mehr als 50.000 ansteigen.

Gaziantep/Idlib. Eine knappe Woche nach den verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind laut offiziellen Zählungen mehr als 30.000 Menschen gestorben. Laut Schätzungen der UNO könnte die Zahl der Todesopfer jedoch noch auf mehr als 50.000 ansteigen. Unterdessen konnten die österreichischen Soldaten und Soldatinnen ihren Hilfseinsatz im Krisengebiet unter Schutz der türkischen Armee wieder aufnehmen. Der Einsatz war am Samstag wegen Sicherheitsbedenken unterbrochen worden.

Während die Hoffnung auf die Bergung lebender Männer, Frauen und Kinder zusehends schwindet, sind alleine in der Türkei 29.605 Tote gemeldet worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi am Sonntag unter Berufung auf die Katastrophenschutzbehörde Afad. Aus Syrien wurden zuletzt 3.575 Tote gemeldet. Knapp 80.300 Verletzte wurden bisher registriert.

Martin Griffiths UNO
© APA/AFP
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UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths

UNO-Nothilfekoordinator Martin Griffiths sagte am Samstag bei einem Besuch im Erdbebengebiet in der Türkei im Sender Sky News, eine genaue Schätzung der Verstorbenen sei nach wie vor schwierig. Die Opferzahl werde sich aber sicherlich noch "verdoppeln oder mehr".

Schwierige Sicherheitslage an Ort und Stelle

Die schwierige Sicherheitslage an Ort und Stelle verlangsamte die Rettungsaktion verschiedener Hilfsgruppen am Samstag zusätzlich. Die österreichischen Soldaten und Soldatinnen - wie auch deutsche und ungarische Helfer - mussten ihren Einsatz zeitweise unterbrechen, weil die Arbeit zu gefährlich geworden war. Zunehmende Aggressionen zwischen Gruppierungen in der Türkei - Schusswechsel inklusive - hätte diese Entscheidung notwendig gemacht.

Zwischenzeitlich konnten die Österreicher ihre Arbeiten wieder aufnehmen. "Die türkischen Sicherheitskräfte schaffen uns ein sicheres Umfeld", sagte Oberstleutnant Pierre Kugelweis Sonntagvormittag der APA. Am Samstag seien die Helfer ab dem Nachmittag noch bei zwei Einsätzen zum Teil bis in die Nacht aktiv gewesen, um örtliche Hilfsgruppen zu unterstützen.

Mehr als 2.000 Nachbeben

Am frühen Montagmorgen hatte ein Beben der Stärke 7,7 das Grenzgebiet erschüttert, gefolgt von einem weiteren Beben der Stärke 7,6 zu Mittag. Seither gab es bis Samstag mehr als 2.000 Nachbeben in der Region, wie die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad mitteilte. Viele Menschen verloren ihr Zuhause: Nach Angaben des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan suchten inzwischen mehr als 1,5 Millionen in Zelten, Hotels oder öffentlichen Notunterkünften Schutz.

Der türkische Vize-Präsident Oktay sagte weiter, die Staatsanwaltschaften hätten auf Anweisung des Justizministeriums in zehn Provinzen, die von den Erdbeben betroffen waren, Abteilungen für die Untersuchung von Verbrechen im Zusammenhang mit den Erdbeben eingerichtet. Ermittelt worden seien 131 Menschen, die verantwortlich für Gebäude seien, die zusammengestürzt seien. Gegen 113 weitere sei Haftbefehl erlassen worden. Am Sonntag hat es eine weitere Festnahme von einem Bauunternehmer gegeben, der für die Bauleitung zahlreicher eingestürzter Gebäude in Adiyaman verantwortlich gewesen sein soll. Er sei mit seiner Ehefrau am Istanbuler Flughafen gefasst worden, meldete die Nachrichtenagentur DHA am Sonntag. Die beiden hätten sich mit einer großen Menge Bargeld nach Georgien absetzen wollen.

Der türkische Städteminister Murat Kurum sagte, mittlerweile seien knapp 172.000 Gebäude in zehn Provinzen überprüft worden. Festgestellt worden sei, dass rund 25.000 schwer beschädigt worden seien oder dringend abgerissen werden müssten.

Immer wieder Hoffnungsschimmer

Trotzdem gab es zuletzt bei den Bergungen immer wieder Hoffnungsschimmer. Fast eine Woche nach dem Erdbeben gab es doch noch Lebendrettungen. So wurde in Antakya ein fünf Monate altes Baby nach 134 Stunden lebend aus den Trümmern geholt, berichtete der staatliche türkische Fernsehsender TRT. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie ein Helfer kopfüber in ein metertiefes Loch hinabgelassen wurde, um zu dem Säugling zu gelangen. Das sichtlich entkräftete Kind wurde nach seiner Befreiung an Rettungssanitäter übergeben.

In den betroffenen Gebieten wächst nun auch die Gefahr von Krankheiten. Laut dem Emergency WASH (Water Sanitation Hygiene) Experten des Österreichischen Roten Kreuzes, Georg Ecker, ist das Wasserversorgungs- und Entsorgungssystem im Erdbebengebiet schwer beeinträchtig. Daher sind die Menschen von Oberflächenwasser - wie etwa Flüsse oder Seen - abhängig, die wiederum durch Fäkalien verunreinigt sind, weil die Menschen aufgrund der zerstörten Gebäude keine Sanitäreinrichtungen haben. Zudem könnten Grundwassersysteme aufgrund der Erdstöße verschoben oder unterbrochen sein, so Ecker. Es bestehe daher auch die Gefahr der Kontamination von Grundwasser. Wenn Menschen keine andere Alternative haben als verunreinigtes Wasser zu trinken, könne dies zu rasch zu Krankheiten wie Durchfall führen. In Syrien gebe es seit längerer Zeit immer wieder Cholera Ausbrüche und dadurch könne es sein, dass sich die Situation aufgrund der schlechten Wasser- und Hygieneverhältnisse verschlechtert bzw. bestehe aufgrund des Grenzgebietes ein Risiko, dass Cholera auch in die Türkei übersetzt.

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