Türkischer Präsident setzt auf Deeskalation

Erdogan sendet versöhnliche Signale im Botschafter-Streit

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Türkischer Präsident begrüßt Klarstellungen westlicher Botschaften. Berlin: "Sorge und Unverständnis".

Nach massiver Kritik mäßigt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sein Auftreten im Botschafterstreit mit dem Westen. Erdogan erklärte am Montag laut der Nachrichtenagentur Anadolu, er begrüße die Erklärung westlicher Botschaften zur Einhaltung des diplomatischen Vertrags. Ob die angekündigte Ausweisung von zehn Botschaftern damit wieder vom Tisch ist, war zunächst unklar. Erdogan hatte zuvor auch im eigenen Land viel Kritik für sein Vorgehen geerntet.

Die US-Botschaft und mehrere andere westliche Vertretungen hatten zuvor mitgeteilt, sie hätten sich an eine diplomatische Konvention gehalten, sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Gastlandes einzumischen. "Die Vereinigten Staaten stellen fest, dass sie Artikel 41 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen einhalten", hatte etwa die US-Botschaft getwittert. Kanada, die Niederlande und Neuseeland sendeten jeweils eine ähnliche Nachricht.

Erdogan hatte am Wochenende angekündigt, die Botschafter von Deutschland, den USA und acht weiteren Staaten durch das Außenministerium zu unerwünschten Person erklären zu lassen. Ein solcher Schritt bedeutet in der Regel die Ausweisung der Diplomaten. Anlass war eine Forderung der Botschafter, den seit 2017 ohne Urteil inhaftierten Kulturförderer Osman Kavala freizulassen. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) hatte bereits 2019 Kavalas Freilassung gefordert. Erdogan wertete die Positionierung der Botschaften als Einmischung in innere Angelegenheiten.

Aus der Regierungspartei AKP kommt zwar vereinzelt Unterstützung für den Schritt. Die ranghohen Präsidenten-Berater Ibrahim Kalin und Fahrettin Altun, die eigentlich als treue Fürsprecher Erdogans bekannt sind, hüllen sich jedoch in auffallendes Schweigen. Offene Kritik übte der frühere Präsident und Außenminister Abdullah Gül. Es könne nicht im Interesse des Landes sein, die Sache zu einer noch größeren Krise zu machen, wurde Gül am Montag in der oppositionsnahen Zeitung Sözcü zitiert. Der frühere Erdogan-Getreue hatte sich bereits zuvor kritisch gegenüber dem Präsidenten geäußert. Der frühere türkische Botschafter in den USA, Namik Tan, sagte der Deutschen Welle, dass nur führende Personen in der AKP Erdogan umstimmen könnten.

Der Chef der größten Oppositionspartei CHP, Kemal Kilicdaroglu, warf Erdogan vor, künstliche Probleme zu schaffen, um von der von ihm verursachten wirtschaftlichen Krise abzulenken. Die strauchelnde Landeswährung Lira fiel am Montag erneut auf Rekordtiefstände.

Die deutsche Regierung äußerte sich am Montag kritisch zur Ankündigung der Türkei, die Botschafter Deutschlands, der USA und acht anderer westlicher Länder zu unerwünschten Personen zu erklären. Man sehe dies "mit Sorge und Unverständnis", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Eine Sprecherin des Außenministeriums sagte, man habe von türkischer Seite noch keine offizielle Nachricht dazu erhalten. Deutschland habe sich am Wochenende mehrfach mit Partnern in Paris und Washington beraten. Die Reaktion werde man davon abhängig machen, welchen Schritt die türkische Seite jetzt gehen werde.

Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell teilte mit, man verfolge die Entwicklungen sehr genau und stufe die Situation als sehr ernst ein. Bisher sei jedoch keines der betroffenen Länder über tatsächliche Maßnahmen informiert worden.

Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte sich zurückhaltend: Bis Ergebnisse der Kontakte zwischen der Türkei und den jeweiligen Ländern bekannt würden, sei es zu früh, darüber zu sprechen. Der finnische Präsident Sauli Niinistö sagte, über Medien habe man von der türkischen Reaktion gehört, nicht aber auf diplomatischem Wege.

Die zehn Botschafter hatten am 18. Oktober die Freilassung des seit 2017 inhaftierten Menschenrechtlers Kavala gefordert. Unterzeichner sind neben Deutschland und den USA Frankreich, die Niederlande, Dänemark, Finnland, Schweden, Norwegen, Kanada und Neuseeland. Auf Nachfrage solidarisierte sich auch das österreichische Außenministerium mit der Erklärung. Regierungssprecher in Berlin betonten, dass die Aufforderung zur Umsetzung eines Urteils des Europäischen Menschengerichtshofes (EGMR) von Dezember 2019 zum Fall Kavala gerechtfertigt gewesen sei.

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