''Ein Treffen mit Assad ist möglich. In der Politik gibt es keinen Groll und keine Verbitterung'', sagte Erdogan.
Damaskus. Wenige Tage nach Beginn einer Luftoffensive gegen kurdische Milizen zieht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ein Treffen mit dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad in Betracht. "Ein Treffen mit Assad ist möglich. In der Politik gibt es keinen Groll und keine Verbitterung", sagte Erdogan am Mittwoch laut staatlicher Nachrichtenagentur Anadolu. Zugleich untermauerte Erdogan seine Drohung mit einer Bodenoffensive gegen kurdische Milizen in Syrien.
Die Türkei hatte unter Erdogan die diplomatischen Beziehungen zu Damaskus aufgekündigt. Nach mehr als elf Jahren Bürgerkrieg kontrollieren die Anhänger von Assad wieder rund zwei Drittel des Landes. Der Machthaber wird unter anderem von Russland und dem Iran unterstützt. Bereits im August hatte er sich für eine Aussöhnung zwischen der syrischen Opposition und den Anhängern von Machthaber Assad ausgesprochen - was von vielen als Kehrtwende in Erdogans Haltung zu Assad gesehen wurde.
Erdogan: "Terroristen auf die Pelle rücken"
Auf eine Entspannung in Nordsyrien ließ Erdogan hingegen nicht hoffen. "Die Operationen, die wir mit unseren Flugzeugen, Kanonen und bewaffneten Drohnen führen, sind erst der Anfang", sagte Erdogan bei einer Rede vor Parteimitgliedern. An dem "günstigsten Zeitpunkt" wolle man auch auf dem Boden "den Terroristen auf die Pelle rücken". Einen genauen Zeitpunkt ließ der Präsident aber offen. Die Türkei sei entschlossener denn je, ihre komplette Südgrenze, mit einer "Sicherheitslinie" für Angriffe zu schließen.
Die Idee ist nicht neu. Bereits bei einem Militäreinsatz gegen die die syrische Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien 2019 wollte die Türkei entlang ihrer Grenze eine Zone schaffen, aus der sich alle Kurdenmilizen zurückziehen sollen. Aus Sicht der Türkei soll sich diese rund 30 Kilometer tiefe Zone vom Euphrat-Fluss aus ostwärts über mehr als 400 Kilometer bis an die irakische Grenze erstrecken.
Die türkischen Streitkräfte setzen derweil ihre Angriffe auf kurdische Stellungen in Syrien fort. Bei Drohnenattacken auf mehrere Orte im Norden des Landes sei ein kurdischer Kämpfer getötet worden, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch. Er starb demnach bei einem Angriff auf ein Verbindungsbüro der von der Kurdenmiliz YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), das sich auf einem russischen Stützpunkt befindet. Dabei seien auch drei kurdische Kämpfer sowie ein russischer Soldat verletzt worden. Aus Russland gab es dazu zunächst keinen Kommentar.
Öl- und Gasanlagen von türkischen Drohnen getroffen
Den Aktivisten zufolge wurden auch mehrere Öl- und Gasanlagen in Nordsyrien von türkischen Drohnen getroffen. Weiterhin seien türkische Granaten in der Nähe eines Gefängnisses in der Stadt Al-Kamischli eingeschlagen, in dem auch Anhänger der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) sitzen. Die USA sieht die YPG als Partner im Kampf gegen den IS in Syrien.
Russland rief die Türkei unterdessen auf, von einer umfassenden Bodenoffensive in Syrien abzusehen. "Wir hoffen, dass unsere Argumente in Ankara gehört werden und andere Wege zur Lösung des Problems gefunden werden", sagte der russische Unterhändler Alexander Lawrentjew in Kasachstan. Er war dort zu einer weiteren Runde von Syrien-Gesprächen mit türkischen und iranischen Delegationen zusammengetroffen.
Die türkische Armee hat nach eigenen Angaben seit Beginn der jüngsten Militäroffensive im Irak und in Syrien 471 Ziele angegriffen. Dabei seien insgesamt "254 Terroristen neutralisiert" worden, erklärte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar am Mittwoch. "Die Operation wird mit Angriffen aus der Luft und mit landgestützten Geschützen fortgesetzt", so Akar. Er machte keine Angaben zu möglichen zivilen Opfern. Seine Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Luftangriffen gegen die syrische Kurdenmiliz YPG
Seit der Nacht auf Sonntag geht die Türkei im Nordirak und in Nordsyrien mit Luftangriffen gegen die syrische Kurdenmiliz YPG und die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vor. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erwähnte zuletzt auch die Möglichkeit einer Bodenoffensive gegen kurdische Stellungen.
Die türkische Regierung brachte ihre Luftangriffe in Zusammenhang mit einem Anschlag auf der Istanbuler Einkaufsstraße Istiklal vor über einer Woche. Sie sieht die YPG und die PKK als Drahtzieher des Anschlags, beide hatten das jedoch zurückgewiesen. Die Ermittlungen laufen noch, die genauen Umstände der Tat sind ungeklärt.