Arzneimittelbehörde EMA geht an Amsterdam, bankenaufsicht nach Paris.
An Dramatik hat es bei der Entscheidung der 27 EU-Staaten über die neuen Standorte der Londoner EU-Agenturen nach dem Brexit am Montag in Brüssel nicht gefehlt - denn zum Schluss entschied in beiden Fällen das Los: Die Arzneimittelbehörde EMA wird nach Amsterdam umsiedeln, die EU-Bankenaufsicht EBA findet ihre neue Heimat in Paris. Wien schied im Wettstreit um beide EU-Agenturen vorzeitig aus.
Wien geht leer aus
Die EBA und die EMA haben ihren Sitz derzeit noch in London. Mit dem für März 2019 geplanten EU-Austritt der Briten (Brexit) muss für sie ein neuer Standort gefunden werden. Seit Wochen wird über das geografische Schicksal der beiden EU-Agenturen spekuliert. Dass am Ende eine "große durchsichtige Schüssel mit zwei Losen" entschied, wie es der estnische Vizepremier Matti Maasikas es beschrieb, hätte wohl kaum jemand gedacht. Maasikas hatte als Vertreter des derzeitigen EU-Ratsvorsitzlandes die Glücksfee gespielt.
"Sehr überrascht" zeigte sich Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) vom Abstimmungsergebnis, das er gleichzeitig auch als "ein Favoritensterben" bezeichnete. Bei der Entscheidung habe es zudem "lange Unterbrechungen mit so einer Art Bazar-Charakter" gegeben. Österreich, so Schelling weiter, werde auf jeden Fall analysieren, was es besser machen könnte.
Besonders bitter war der Abend wohl aber für Mailand. Im Rennen um die begehrte EMA, die mit rund 900 Mitarbeitern zu den größten EU-Agenturen zählt, erhielt die norditalienische Metropole bis zum Finale stets die höchste Punktezahl. In der Endrunde erreichten Mailand und Amsterdam Punktegleichheit (jeweils 13 Punkte und eine Enthaltung), das Los musste - wie im Regelwerk vorgesehen - entscheiden. Das Glück war aufseiten der Niederländer.
Italienische Spitzenpolitiker reagierten empört. "Eine solide Kandidatur, wie jene Mailands ist von einer Verlosung versenkt worden", sagte Ministerpräsident Paolo Gentiloni. Der Mailänder Bürgermeister Beppe Sala bezeichnete das System als "absurd".
Wenig Glück hatten auch die Slowaken. Bratislava scheiterte mit Platz vier in der ersten Runde nur knapp im Rennen um die EMA. Österreich holte gerade einmal vier Punkte, nur Lille (Frankreich), Sofia (Bulgarien) und Bonn (Deutschland) hatten weniger. Insgesamt hatten sich 19 EU-Staaten als neuer Standort für die Arzneimittelbehörde beworben. Kroatien, Malta und Irland nahmen sich bereits vor der Abstimmung aus dem Rennen. Die Wiener Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner zog trotz des enttäuschenden Ergebnisses ein positives Resümee. Die "starke Bewerbung" habe nämlich Wien als "Top-Standort für die Pharma- und Life-Science-Branche" positioniert, meinte sie.
Los entscheidet
In das Rennen um die Bankenaufsicht EBA, die rund 170 Mitarbeiter beschäftigt, gingen insgesamt acht EU-Staaten. Auch hier fiel Wien mit 10 Punkten in der ersten Runde raus, nur Brüssel erhielt mit 5 Punkten weniger als die Bundeshauptstadt. In der zweiten Runde schied dann überraschend Frankfurt/Main aus, das in der ersten Runde (32 Punkte) noch vor Dublin (28 Punkte), aber schon hinter Paris (34 Punkte) gelegen war. In der zweiten Runde votierten aber nur noch vier Staaten für die deutsche Finanzmetropole.
In der Endrunde musste der estnische Minister nach Punktegleichheit bei Dublin und Paris (je 13 Punkte und eine Enthaltung) wieder zum Los greifen. Frankreich, das bereits die EU-Wertpapieraufsicht ESMA beheimatet, war diesmal der Glückliche. Der französische Präsident Emmanuel Macron zeigte sich "glücklich und stolz" und betonte, dass Paris nun seinen "Rang als wichtiger Finanzplatz" festige.
Das Auswahlverfahren erinnerte an das Prozedere des Eurovision Song Contest. EU-Staaten mussten in drei Runden Punkte vergeben. In der ersten Runde durfte man 3, 2 und 1 Stimme für drei Städte abgeben, in den beiden weiteren Runden jeweils nur für eine Stadt stimmen. Für den Sieg waren 14 Stimmen nötig, bei Gleichstand war ein Losentscheid vorgesehen. Für Österreich stimmte Finanzminister Schelling. Die Stimmzettel wurden nach dem Votum vernichtet.