Wegen Medienfreiheit

EU-Grüne fordern mehr Druck auf Türkei

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Die Verhandlungen mit Ankara sollten fortgesetzt werden.

Die Grünen im EU-Parlament haben mehr Druck der EU auf die Türkei wegen des Vorgehens der türkischen Behörden gegen Medien gefordert. Der Druck, dem türkische Medien vonseiten der Regierung ausgesetzt seien, sei "gewaltig und systematisch", sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, am Mittwoch in Brüssel.

"Historischer Fehler"
Nach Ansicht von Harms hat die EU in der Vergangenheit die Beziehungen zur Türkei nicht ernst genug genommen. Vor allem der Kurs des früheren französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel gegen eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei sei "ein historischer Fehler" gewesen. An Verhandlungen mit der Türkei führe aber kein Weg vorbei.

Joost Langendijk, ehemaliger grüner Europaabgeordneter und bis vor kurzem Kolumnist der unter Zwangsverwaltung gestellten Oppositionszeitung "Zaman", sagte, er werde in Zukunft nicht mehr für "ein Sprachrohr der Regierung" schreiben. "Zaman" sei nur ein Beispiel für die bewusste und gewaltsame Unterdrückung von Medien in der Türkei.

Keine regierungskritischen Zeitungen mehr
Auch mehrere regierungskritische TV-Sender seien aus dem Satellitenprogramm genommen worden. "Zaman" werde der "terroristischen Propaganda" bezichtigt, was der Regierung eine breite Handhabe ermögliche.

Lagendijk rechnet zwar damit, dass die Türkei dafür in fünf bis sechs Jahren vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt werden wird. Doch werde es dann keine regierungskritischen Zeitungen mehr geben. Auf sozialen Medien und Websites dulde die Regierung noch mehr Kritik, weil diese von der Wählerschaft der Regierungspartei AKP nicht gelesen würden.

EU-Türkei-Deal unausweichlich
Auch Lagendijk hält einen Deal der EU mit der Türkei beim Gipfel für unausweichlich. Es wäre nicht realistisch, keine Vereinbarung zu treffen, "und es würde auch den syrischen Flüchtlingen nicht helfen", sagte er. Die EU sollte mit der Türkei "einen besseren Deal" schließen, aber trotzdem Ankara kritisieren und Beitrittsverhandlungen in den wichtigen Justizkapitel 23 und 24 aufnehmen. Derzeit sei die Stimme der EU schwach. Die Verschiebung des kritischen EU-Fortschrittsbericht im Herbst sei "ein großer Fehler" gewesen. Mehr als die Eröffnung von Beitrittskapitel hält Lagendijk die Visabefreiung für türkische Staatsbürger für einen Hebel, um vonseiten der EU Druck auf die Türkei auszuüben.

Nach Ansicht des Brüssel-Korrespondenten von "Zaman", Selcuk Gultasli, hat die EU bereits weitgehend ihre Möglichkeiten zur Einflussnahme verloren. Dem türkischen Präsidenten Reccep Tayyip Erdoğan gehe es gar nicht um die EU-Mitgliedschaft seines Landes, vielmehr wolle er ein starkes Präsidialsystem in der Türkei aufbauen. "Wenigstens sollte die EU laut ihre Meinung sagen", forderte Gultasli. Stattdessen sei Erdoğan von den EU-Spitzen im Herbst "wie ein Prinz" empfangen worden.

Bankrott für "Zaman"
Gultasli glaubt, dass die Zwangsverwalter von "Zaman" kein Interesse an einem Überleben der Zeitung haben. Die Auflage sei bereits von über 600.000 auf 3.000 Stück gesunken. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Zaman bankrottgeht." Die rund 1.000 Mitarbeiter von "Zaman" würden dann wohl ihren Job verlieren.

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