Vizepräsident des EU-Parlaments:

EU soll "Europa der Vaterländer" werden

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Vizepräsident des EU-Parlaments hofft auf Annäherung Wiens an Visegrad-Gruppe.

Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Zdzislaw Krasnodebski, hat sich für eine Stärkung der nationalen Parlamente in der EU ausgesprochen. "Es sollte ein Europa der Vaterländer geben, die solidarisch sind und gemeinsame Institutionen haben", sagte er im APA-Interview. Dass sich Kompetenzen der EU gegenüber Staaten vergrößerten, entspreche weder "dem Geist der EU noch seinen Verträgen."
 
Es solle das "Erbe der europäischen Geschichte gewahrt und geschätzt" werden, sagte der konservative EU-Abgeordnete. "Dazu gehören für mich auch die europäischen Nationen und ihre nationalen Kulturen sowie das christliche Erbe", sagte der Politiker der polnischen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), der sich am heutigen Freitag mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) in Wien treffen will.
 

Visegrad-Staaten gestärkt

Die Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei sieht Krasnodebski durch die Wiederwahl des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gestärkt. Die ungarischen Parlamentswahlen hätten gezeigt, dass "Orban die breite Unterstützung der ungarischen Gesellschaft und Nation hat", sagte der EU-Politiker. Kritiker, die Orbans umstrittene Politik "im Namen der Demokratie angreifen und sich als ihre Verteidiger ausgeben" hätten also "in Wirklichkeit Probleme mit demokratischen Wahlen", schlussfolgerte er.
 
"Einige sehen in Orban den Gegenpart zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron", sagte Krasnodebski. "Seine (Orbans, Anm.) Wiederwahl bestätigt auch die politische Richtung, die die Visegrad-Gruppe gemeinsam in der EU vertreten hat, beispielsweise in Bezug auf die Migrationskrise, aber auch in anderen Fragen."
 

Seitenhieb gegen Merkel

Die Visegrad-Staaten hätten "aktiv europäische Politik beeinflusst und gestaltet" und spielten auch weiterhin eine wichtige Rolle. Diese "gemeinsame Linie", die "überparteilich" sei und die "Interessen der Region" vertreten soll, sei darum auch "kein vorübergehendes Phänomen", erklärte der Vizepräsident. "Ich glaube, dass sich viele andere Länder politisch der Visegrad-Gruppe angenähert haben, vor allem in den letzten Monaten", sagte Krasnodebski weiter. Beispielsweise zeige die Entwicklung der deutschen Politik seit 2015, wie wichtig die Gruppe sei, weil sie Situationen fallweise "realistischer eingeschätzt" habe, "als die Staaten und Politiker, die allgemein als führende in Europa betrachtet werden", sagte der in Bremen lehrende Soziologieprofessor in Anspielung auf die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.
 
Von der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli beginnen wird, erhofft sich Krasnodebski eine Unterstützung der Visegrad-Gruppe. "Bereits in den 1980er Jahren hat man sehr oft über unsere gemeinsame Geschichte und Aufgabe gesprochen. Vielleicht ist jetzt die Zeit gekommen, dass sich Österreich auf dieses mitteleuropäische Erbe besinnt und sich den Visegrad-Staaten annähert", meinte er. "Wir haben eine gemeinsame Geschichte, gleiches Empfinden und in gewissen Bereichen gleiche Vorstellungen - ich hoffe, dass das während der Präsidentschaft zum Ausdruck kommt."
 

Kritik von EU-Staaten

Die Aktionen und Ansichten der Staaten der Visegrad-Gruppe werden von vielen anderen EU-Staaten kritisiert. Die polnische Justizreform, die es der Regierungspartei PiS ermöglicht, die Ernennung von Richtern mitzubestimmen, hat die EU-Kommission dazu veranlasst, ein Sanktionsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags einzuleiten, durch das Polen wegen Gefährdung der EU-Grundwerte im schlimmsten Fall ein Entzug der Stimmrechte droht. Ungarn hatte für diesen Fall bereits ein Veto angekündigt. EU-Kommissionsvize Frans Timmermans gab sich am Mittwoch optimistisch, dass es einen Kompromiss mit Polen geben könnte.
 
"Wir haben in Polen immer signalisiert, dass wir bereit sind, in einigen Punkten Änderungen zu machen, sofern es dafür gute Argumente gibt", sagte Krasnodebski dazu. Andererseits lehne man "überzogene, ideologische Kritik" ab. "Wir glauben, dass einige Vorwürfe nicht der Realität entsprechen und nicht berücksichtigen, wie die Justiz in anderen Ländern aussieht."
 

"Rechtsstaatlichkeit"

Das Problem sieht der Vizepräsident vor allem in der Definition des Begriffs "Rechtsstaatlichkeit". "Es gibt in verschiedenen Ländern unterschiedliche Gewaltenteilung und Verfassungstraditionen, Rechtsstaatlichkeit ist darum schlecht definiert", erläuterte er. Kein kategorisches Nein kommt von dem EU-Parlamentsvize zur Idee, die Ausschüttung von Strukturfonds, von denen Polen am stärksten profitiert, an Rechtsstaatskriterien zu binden. Dazu müsse man zunächst den Begriff klar definieren, forderte Krasnodebski. "Würden wir uns auf eine solche Definition der Rechtsstaatlichkeit in Europa einigen, was ein schwieriger Prozess sein würde, hätte auch mein Land kein Problem damit zu zeigen, dass wir die Standards der Rechtsstaatlichkeit respektieren."
 
"Es gibt einige Vorgaben der Kommission, die relativ leicht zu erfüllen sind, weil sie in der jetzigen Situation eher symbolischen Charakter haben", erklärte der Vizepräsident. Beispielsweise sei die Kommission "besorgt", dass durch die Reform die Macht des Justizministers zu groß werde. Sie verlange darum, einige Kompetenzen an den Präsidenten abzugeben. "Da sehe ich kein großes Problem", so Krasnodebski. "Grundsätzlich haben wir die Kommission überzeugen können, dass wir eine Reform des Justizsystems brauchen und dass diese der demokratisch gewählten polnischen Regierung überlassen werden muss", sagte er. "Ich glaube, dass wir auch den allgemeinen Verdacht, was die Reform für Auswirkungen haben könnte, zerstreuen konnten und den Weg zum Kompromiss geebnet haben."
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