Die Wahl von Bohuslav Svoboda (ODS) erntete lautstarke Kritik.
Bohuslav Svoboda (66), angesehener Frauenarzt und Vertreter der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) von Premier Petr Necas, ist am Donnerstagabend erwartungsgemäß zum neuen Oberbürgermeister der tschechischen Hauptstadt Prag gewählt worden. Allerdings unter stürmischen Begleitumständen: Die Wahl fand im Prager Rathaus statt, wo Dutzende Demonstranten im Gästebereich sowie Hunderte vor dem Gebäude lautstark gegen die "Große Koalition" der ODS mit den Sozialdemokraten (CSSD) protestierten.
300 Demonstranten im Sitzungssaal
Vor allem am Vormittag kam es im Rathaus und dessen Umgebung zu tumultartigen Szenen. Die Sitzung musste mehrmals unterbrochen werden, weil sich die Stadtvertreter wegen Pfiffen und sonstigen Lärms gegenseitig nicht hören konnten. Bisweilen waren laut Medien rund 300 Demonstranten im Saal, wo die Wahl stattfand. Sie führten ihre Protestaktionen auch zwischen den Bänken und vor dem Rednerpult durch.
Referenz auf "samtene Revolution"
"Wir wollen keine Schweinerei", "Palermo", "Schande" und "Betrug" riefen die Demonstranten, in Anspielung darauf, dass der Prager Magistrat seit Jahren mit Korruption und Günstlingswirtschaft in Verbindung gebracht wird. Sie rasselten auch mit Schlüsseln, wie es bei den Demonstrationen gegen die kommunistische Herrschaft bei der "samtenen Revolution" im Jahr 1989 üblich gewesen war. In der Vergangenheit war Prag von der ODS allein oder von der "Großen Koalition" CSSD-ODS regiert worden.
Kein TOP 09-Kandidat im Stadtrat
Außerdem störte die Demonstranten die Tatsache, dass die Siegerin der Wahlen in Prag, die liberal-konservative Partei TOP 09 des Außenministers Karel Schwarzenberg, nicht in der Stadtregierung vertreten sein wird und wegen der Koalition zwischen der zweitstärksten ODS und der drittstärksten CSSD in die Opposition gehen muss. Dabei war der Kandidat von TOP 09, der ehemalige Chef der Zentralbank, Zdenek Tuma, ein heißer Kandidat für das Amt des Bürgermeisters gewesen.
Vaclav Havel schloss sich Protesten an
Unter den Demonstranten war auch der ehemalige Staatspräsident Vaclav Havel. "Es ist gut, dass die Leute hier hergekommen sind und sich dafür interessieren, was passiert. Sie sind mit Recht empört", sagte er den Journalisten. "Wer den Wind sät, erntet den Sturm", fügte er hinzu. Havel war als Staatsoberhaupt auch ein starker Gegner des sogenannten Oppositionsvertrages der Jahren 1998-2002 gewesen, als die damalige CSSD-Minderheitsregierung von der ODS geduldet wurde.
Demo-Veranstalter konnten an Debatte teilnehmen
Am Nachmittag beruhigte sich die Situation zum Teil, weil die Polizei den Zufluss der Demonstranten in das Rathaus beschränkte. Außerdem bekamen die Veranstalter der Proteste die Möglichkeit, sich an der Debatte der Stadtvertreter vor der Wahl des Oberbürgermeisters zu beteiligen. Als das Ergebnis der Wahl bekanntgegeben wurde, riefen die im Saal anwesenden Demonstranten erneut "Schande, Schande" und pfiffen dabei.