Altes Gesetz gekippt

Homosexualität ist in Indien nicht mehr strafbar

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Gesetz aus der britischen Kolonialzeit endgültig gekippt.

Das Oberste Gericht in Indien hat nach jahrelangem Rechtsstreit das Verbot homosexuellen Geschlechtsverkehrs aufgehoben. Das Verbotsgesetz, das im Jahr 1861 unter britischer Kolonialherrschaft in Kraft gesetzt worden war, sei ein "Instrument der Diskriminierung" von schwulen, lesbischen, bi-und transsexuellen Menschen geworden, sagte Chefrichter Dipak Misra am Donnerstag in Neu Delhi.

Dem historischen Urteil war ein langes juristisches Tauziehen zwischen Aktivisten und Regierung vorangegangen. In Indiens Gesellschaft ist eine konservative Sexualmoral tief verankert, Homosexualität galt lange als Tabu. Die Kriminalisierung aus der Kolonialzeit blieb auch nach der Unabhängigkeit 1947 im Gesetzbuch stehen. Das Gesetz von 1861, die so genannte "Section 377", stellte "körperlichen Verkehr gegen die Ordnung der Natur" unter Strafe. Im Jahr 2016 wurden knapp 2200 einschlägige Anzeigen registriert, sieben Menschen wurden verurteilt.

 

Regelung ist Rechtsverstoß

Das Oberste Gericht stufte die Regelung nun eindeutig als Rechtsverstoß ein. "Jede Diskriminierung auf Grundlage der Sexualität läuft auf eine Verletzung der Grundrechte hinaus", stellte Richter Misra klar.
 
Nach dem Urteilsspruch fielen sich Aktivisten vor dem Gericht in die Arme, sie feierten ausgelassen. "Ich bin sprachlos", sagte der Student Rama Vij. "Es hat lange gedauert, aber nun kann ich endlich sagen, dass ich frei bin und die gleichen Rechte habe."
 
Der Aktivist Keshav Suri - einer der Kläger in dem Verfahren - wies auf die repressiven Folgen des alten Gesetzes hin: "Besonders in ländlichen Gebieten war es ein Werkzeug der Schikane. Polizisten und Behörden nutzen es, um Geld zu erpressen."
 

Konservative Regierung lehnte Entkriminalisierung ab

Indiens konservative Regierung hatte eine Entkriminalisierung abgelehnt, zugleich aber betont, dass sie sich in dieser Frage der "Weisheit" des Obersten Gerichts beugen werde. Sie hatte die Richter allerdings ausdrücklich gewarnt, weitergehende Schritte wie die Zulassung der Homo-Ehe zu unternehmen.
 
Das Urteil vom Donnerstag bedeutet lediglich die Straffreiheit von homosexuellem Sex, nicht aber eine völlige rechtliche Gleichstellung. Aktivisten kündigte nach dem Richterspruch an, ihren Kampf weiterzuführen, um etwa die Gleichstellung im Erb- und im Eherecht zu erreichen.
 
Seit den 1990er-Jahren hatten Aktivisten in dem 1,3-Milliarden-Einwohner-Land versucht, Homosexualität auf dem Rechtsweg zu entkriminalisieren. Ein Gericht in Delhi gab 2009 dem Antrag statt. Das Oberste Gericht hob das Urteil 2014 allerdings auf und setzte die Strafandrohungen wieder in Kraft. Die Aktivisten ließen nicht locker: In einer Serie neuer Verfahren erwirkten sie schließlich den Richterspruch vom Donnerstag.
 
Trotz diskriminierender Gesetze hat die Emanzipierung sexueller Minderheiten in Indien in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht. In Reisepässen können Bürger als Geschlecht neben "männlich" und "weiblich" inzwischen auch "andere" eintragen lassen. Die Stadt Raigarh wird von einer transsexuellen Bürgermeisterin regiert, und im Bundesstaat West-Bengalen spricht eine transsexuelle Richterin Recht.
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