Österreichs berühmtester Journalist Hugo Portisch im ÖSTERREICH-Interview.
ÖSTERREICH: In Ihrem jüngsten Buch liefern Sie eine Liebeserklärung an Europa und einen Appell für den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit Europas in kritischer Situation. Haben Sie den Eindruck, dass Europa bei den kardinalen Problemen Flüchtlingsstrom/„Völkerwanderung“ und Terrorismus zufriedenstellend kooperiert?
Hugo Portisch: Die Gründungsväter der Europäischen Gemeinschaft waren entschlossen, jedes Opfer auf sich zu nehmen, um dieses große europäische Projekt zu schaffen – die Friedensgemeinschaft, die Freiheits- und Demokratiegemeinschaft und als Resultat auch die Wohlstandsgemeinschaft, mit großer Entschlossenheit, Europa vorwärtszubringen. Dabei hatte jeder jedem zu helfen, Solidarität war ein festes Fundament. Diese haben einige der neuen Mitgliedsstaaten nicht entwickelt. Aus ihrer KP-Zeit stammt ihr Instinkt, zu raffen, was zu raffen geht, das eigene Leben hat jeden Vorrang. Diese Haltung könnte für die EU zur Zerreißprobe werden.
ÖSTERREICH: Seit den Attentaten von Paris ist auch immer häufiger von einer wachsenden möglichen Bedrohung Österreichs die Rede. So wird auch diskutiert, ob wir in Zukunft „israelische“ Verhältnisse mit extremen Kontrollen und Überwachung der Grenzen erleben werden. Ist das für Sie vorstellbar?
Portisch: Nein, weil der Vergleich einfach nicht stimmt. In Israel stehen sich zwei große Kräfte in oft offener Konfrontation gegenüber, wollen ihre Ziele, ihre Ambitionen durchsetzen, und beide haben dies schon öfter mit Gewalt versucht. Kein vergleichbares Szenario mit Österreich. Ein größeres Bedrohungspotenzial ist durch den islamischen Fanatismus überall in der Welt gegeben, daher wird man überall wachsamer sein müssen.
ÖSTERREICH: Bei der Präsentation Ihres neuen Buches sagten Sie, dass konzertierte militärische Aktionen europäischer Länder gegen den IS notwendig wären. Jetzt wird auch debattiert, ob die Entsendung von Bodentruppen sinnvoll wäre. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Portisch: Frankreich und Russland erklären offen, dass sie sich mit dem Islamischen Staat im Krieg befinden. Wie wollen sie diesen beenden? Wenn es diplomatisch nicht geht, wird man diesen Krieg militärisch gewinnen müssen. Und dazu gehört auch militärische Entschlossenheit.
Christoph Hirschmann