Abdel Shafi: In Rolle als Brückenbauer hat sich Österreich "disqualifiziert"
Der palästinensische Botschafter in Wien, Salah Abdel Shafi, hat die Entscheidung der Bundesregierung, im aktuellen Nahost-Konflikt die israelische Fahne auf Regierungsgebäuden zu hissen, scharf kritisiert. Der Schritt sei sehr einseitig, "extrem besorgniserregend und enttäuschend", sagte Abdel Shafi am Montag im Gespräch mit der APA. Auch bei seinen arabischen Kollegen in Wien herrsche darüber "Fassungslosigkeit".
Zwar sei bekannt, dass unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ein "sehr freundschaftlicher" Kurs gegenüber Israel gefahren werde. Aber dass ein Land mit einer "langen, objektiven, das Völkerrecht achtenden Außenpolitik" eine Position (die palästinensische, Anm.) im Konflikt "plötzlich total außer Acht" lässt, sei "sehr zu bedauern" und sei auch "völlig unverständlich", betonte Abdel Shafi. "Wir fühlen uns sehr beleidigt, denn auch unsere Opfer verdienen ein Wort der Sympathie", forderte der Botschafter. Im Gazastreifen wurden laut palästinensischen Angaben in der aktuellen Eskalation 197 Menschen getötet, in Israel sprechen die Behörden von zehn Toten.
Als Brückenbauer disqualifiziert
In der Rolle als "Brückenbauer" bei Konflikten sei Österreich damit nicht mehr glaubwürdig. "Österreich galt immer als Ort der Versöhnung, aber aus unserer Sicht hat man sich mit diesem Schritt leider disqualifiziert", meinte der Diplomat.
Kurz und Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hatten am Freitag die Angriffe aus Gaza auf Israel verurteilt und als Zeichen der Solidarität mit Israel die israelische Fahne auf dem Bundeskanzleramt und dem Außenministerium in Wien hissen lassen. Schallenberg begründete das mit einer "konsequenten Haltung Österreichs gegenüber dem Terror". Die USA und die EU stufen die Hamas als Terror-Gruppe ein.
"Man stellt Israel nur als Opfer hin"
Eine klare Position gegen Terrorismus zum Ausdruck zu bringen sei in Ordnung, doch müsse dann auch betont werden, dass Israel seit Jahren völkerrechtswidrig handle, erklärte der palästinensische Botschafter. Die Auslöser der Krise würden "außer Acht gelassen", sagte Abdel Shafi in Anspielung auf die jahrelange Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung durch Israel. "Man stellt Israel nur als Opfer hin und erwähnt mit keinem einzigen Wort die Menschenrechtsverletzungen, wie Zwangsumsiedelungen, die übrigens als Kriegsverbrechen gelten."
Auch dass mit österreichischen und EU-Geldern finanzierte Projekte im Westjordanland regelmäßig von Israel zerstört werden, werde hierzulande nicht thematisiert. "Die österreichischen Steuerzahler haben ein Recht darauf, das zu wissen", konstatierte der Botschafter.
In der jüngsten Eskalation zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden radikalen Hamas wünscht sich Abdel Shafi eine sofortige Waffenruhe. Ein "glaubwürdiger Friedensprozess", in dem Israel "nicht als Staat über dem Gesetz" behandelt wird und der "auf Grundlage des Völkerrechts und relevanter UNO-Resolutionen stattfindet", sei notwendig.
Abdel Shafi wurde 1962 geboren und wuchs in Gaza auf. 2013 wurde er Botschafter in Österreich und ständiger Beobachter des Staates Palästina bei der UNO und den in Wien ansässigen internationalen Organisationen ist. Seit 2014 ist er auch palästinensischer Botschafter in Slowenien mit Residenz in Wien.