Antifa-Gruppen rufen zu Gewalt auf

Katalonien: Unabhängigkeitsbefürworter stoppen Vandalen

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Systemgegner und Antifa-Gruppen animieren radikalisierte Jugendliche aus dem Separatistenlager zur Gewalt.

Barcelona/Madrid. Es war die sechste Nacht mit schweren Ausschreitungen in der nordspanischen Konfliktregion Katalonien. Auch am Samstagabend kam es vor allem in Barcelona erneut zu Straßenschlachten zwischen der Polizei und Hunderten von Vandalen. Die Proteste gegen die Verurteilung von neun Separatistenführern gerieten in den vergangenen Tagen vollkommen außer Kontrolle. Nun versuchen friedliche Unabhängigkeitsbefürworter der Gewalt ein Ende zu setzen.
 
Hunderte Personen bildeten am Samstagabend auf der Via Laietana eine Menschenkette, um die gewaltbereiten Randalierer daran zu hindern, erneut mit Steinen, Glasflaschen und Feuerwerkskörpern die Beamten anzugreifen. Sie stellten sich vor die Polizei und richteten sich mit erhobenen Händen gegen die vermummten Vandalen. "Wir protestieren seit Jahren friedlich für unsere Unabhängigkeit. Ein paar Hundert Randalierer dürfen nicht unser Image in den Dreck ziehen und unser politisches Ziel in Verruf bringen", erklärte eine Demonstrantin einem spanischen TV-Sender.
 
Tatsächlich zeichnete sich Kataloniens Unabhängigkeitsbewegung in den vergangenen Jahren durch ihren friedlichen Protest aus. Natürlich kam es immer wieder zu vereinzelten Konfliktsituationen. Doch selbst beim illegalen Unabhängigkeitsreferendum im Oktober 2017, als die spanische Polizei teils vehement gegen Bürger vorging, blieb es relativ gewaltfrei.
 
Nachdem der Oberste Spanische Gerichtshof am vergangenen Montag jedoch neun separatistische Bürgeraktivisten und Mitglieder der ehemaligen Regionalregierung von Carles Puigdemont wegen des illegalen Referendums verurteilte, änderte sich das Panorama. Die Angeklagten wurden wegen "Aufruhr" und der Veruntreuung öffentlicher Gelder mit Haftstrafen von bis zu 13 Jahren belegt. Die Empörung der Unabhängigkeitsbewegung ist enorm. Kataloniens separatistischer Regierungschef Quim Torra forderte die Menschen zum "zivilen Ungehorsam" auf und bedachte wohl kaum die Folgen. Am Freitag protestieren noch eine halbe Million Menschen friedlich in Barcelona gegen das Urteil.
 
Doch am Abend änderte sich die Situation. Gruppen von bis zu 2.000 Personen lassen im Schutz der Nacht den tagsüber größtenteils gewaltfreien Protest in Straßenschlachten ausarten. "Eine solch extreme Gewalt" habe es in Katalonien "noch nie gegeben", versichert Kataloniens Innenminister Miquel Buch. Bisher wurden laut Angaben des spanischen Innenministeriums bereits 300 Beamten verletzt.
 

Doch wer sind diese gewaltbereiten Gruppen?

 
Es handelt sich um einen Mix verschiedener Gruppen. "Es sind vor allem im Straßenkampf sehr erprobte linksradikale Systemgegner und Antifa-Gruppen, welche nicht nur die sehr gut geplanten Angriffe auf die Polizei koordinieren, sondern auch Hunderte frustrierter Studenten und Schülern zur Gewalt animieren, die sich in den vergangenen Jahren radikalisiert haben", erklärt der katalanische Politologe Oriol Bartomeus im Gespräch mit der APA.
 
Wie die spanische Polizei bestätigt, sind Dutzende, extrem gut koordinierte Systemgegner und Antifaschisten sogar aus dem Ausland, speziell aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Italien angereist, um in Barcelona die Straßenschlachten zu provozieren und mitzumischen. Zusätzlich heizen anscheinend auch Neo-Nazi-Gruppen und Latino-Banden die Gewalt auf den Straßen an.
 
Das Problem: Den Gruppen fällt es leicht, vor allem die radikalisieren Jugendlichen im katalanischen Separatistenlager zur Gewalt zu animieren. "Die Politik und Rhetorik der separatistischen Bürgerplattformen und der Regionalregierung provoziert an Kataloniens Schulen und Universitäten eine nie zuvor dagewesene Gewaltbereitschaft unter den jugendlichen Separatisten", versichert Josep Lago von der anti-separatistischen Studentenbewegung SCC der APA.
 
Die Bildung der seit einigen Monaten sehr aktiven "Komitees zur Verteidigung der Republik" (CDR) untermauern Lagos Behauptung. Es handelt sich vor allem um jugendliche Gruppen aus dem politischen Umfeld der separatistischen, linksradikalen CUP-Partei, welche bereits im September durch ein ganz neues Gewaltpotenzial bei Straßenprotesten und Demonstrationen aufgefallen waren.
 
"Die Regionalregierung und die separatistischen Bürgerbewegungen haben diesmal anscheinend vollkommen die Kontrolle verloren", meint auch Politologe Oriol Bartomeus. Dass Torra erst nach vier Tagen die Gewalt verurteilte, und das auch nur auf Druck von Madrid, machte die Situation nicht besser. Ein Kontrollverlust mit Folgen: 600 Verletzte, Hunderte von Festnahmen. Zerstörte Schaufenster, brennende Autos und Müllcontainer. Der verursachte Sachschaden beläuft sich bereits auf über drei Millionen Euro. Hunderte Flüge mussten abgesagt werden, Hotelbuchungen wurden storniert. Restaurants und Geschäften müssen seit Tagen schließen. Der Imageschade für die touristische Mittelmeermetropole Barcelona ist noch höher. Zahlreiche Länder wie die USA, Großbritannien, Frankreich und Portugal raten ihren Bürgern bereits von Reisen nach Katalonien und speziell nach Barcelona ab.
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