Die Gespräche würden aber noch weiterlaufen.
Brüssel. Mit sieben Stunden Verspätung haben die EU-Staats- und Regierungschefs ihr gemeinsames Plenum begonnen. Der eigentliche Start war für 12 Uhr vorgesehen. Die Politiker führten zunächst Einzelgespräche und der Start wurde immer weiter nahch hinten verschoben. Um 19 Uhr haben die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten schließlich wieder ihre Beratungen im Plenum aufgenommen. Wie der Sprecher von EU-Ratspräsident Charles Michel, Barend Leyts, auf Twitter mitteilte, hat im Ratsgebäude das gemeinsame Abendessen der EU-Chefs begonnen. Über den Tag hatten sie zuvor in Kleingruppen über einen möglichen Kompromiss im billionenschweren Finanzstreit beraten.
Die Gruppe der "Sparsamen Vier" hatte Diplomatenangaben zufolge zuvor ein "letztes Angebot" im Streit um den EU-Wiederaufbaufonds übermittelt, der aber unter der am Vortag von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron formulierten Schmerzgrenze lag. Damit schienen die Chancen auf eine Einigung gesunken. Der ursprünglich auf Freitag und Samstag angesetzte Gipfel war von Ratspräsident Michel bis Sonntag verlängert worden.
Keine Einigkeit über Höhe der Zuschüsse im Aufbaufonds
Die Staats- und Regierungschefs haben sich beim Gipfel in Brüssel zunächst nicht auf den Aufbaufonds einigen können. In der Frage der Höhe der Zuschüsse habe es keine Einigung gegeben, hieß es am Sonntagabend in diplomatischen Kreisen. Die Gespräche würden aber noch weiterlaufen.
Die sogenannten "Sparsamen Vier" mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinen Kollegen aus den Niederlanden, Schweden und Dänemark forderten zusammen mit Finnland ein kleineres Volumen für den Aufbaufonds - nämlich 700 Milliarden statt 750 Milliarden Euro. Außerdem verlangten sie, dass davon nur die Hälfte - nämlich 350 Milliarden Euro - als nicht-rückzahlbare Zuschüsse gewährt würden, hieß es. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters beharrten viele andere, darunter Deutschland und Frankreich, darauf, dass der Aufbaufonds mindestens 400 Milliarden Euro an Zuschüssen enthalte.
Michel bot 400 Mrd. Euro Zuschüsse, Sparsame weniger
EU-Ratspräsident Charles Michel hat nach Angaben von Diplomaten beim EU-Gipfel ausgelotet, die Höhe der Zuschüsse im Aufbaufonds auf 400 Milliarden Euro zu senken. Ursprünglich waren 500 Milliarden Euro vorgesehen, zuletzt nur mehr 450 Milliarden.
Die Allianz der "Sparsamen" Niederlande, Österreich, Schweden, Dänemark und Finnland hatten dagegen 350 Milliarden Euro gefordert und dies als "letztes Angebot" formuliert. Die Gruppe forderte auch ein geringeres Volumen für den Aufbaufonds, nämlich 700 Milliarden statt 750 Milliarden Euro.
Nach Angaben von Diplomaten gab es beim Abendessen keine Einigung, der Gipfel lief aber weiter. Michel habe die 400 Milliarden nur ausgelotet und keinen formellen neuen Kompromissvorschlag eingebracht, hieß es. Der Rest im Aufbaufonds soll aus rückzahlbaren Krediten bestehen.
Offen war auch die Frage der Budgetrabatte. Nach bisher unbestätigten Angaben der Nachrichtenagentur ANSA bot Michel fünf Ländern Rabatte im Umfang von 25 Milliarden Euro für das siebenjährige EU-Budget von 2021 bis 2027. Rabatte sollten nach bisherigem Stand Deutschland, die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark erhalten.
Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel verlies unterdessen den Gipfel für eine wichtige Regierungssitzung in seiner Heimat zur Corona-Pandemie. Er ließ sich von seiner belgischen Kollegin Sophie Wilmes beim Gipfel vertreten. Bettel wollte aber nach der Sitzung wieder nach Brüssel zurückkehren, schrieb das Magazin "Politico" (Online).
Kritischer Tweet Janšas vom Abendessen
Der slowenische Ministerpräsident Janez Janša hat inmitten des Abendessens der EU-Staats- und Regierungschefs in einem Tweet wenig verhüllte Kritik an den "Sparsamen Vier" geübt. Er veröffentlichte ein bekanntes Balkendiagramm der EU-Kommission, das den Nutzen des Binnenmarktes zeigt und betonte, dass dieser "bei weitem" die EU-Beiträge der Mitgliedsstaaten übersteige.
"Die EU wurde auf der Annahme errichtet, dass man einander vertrauen kann, in gutem Glauben zusammenzuarbeiten. Wegen dieses Vertrauens haben die Länder ihre Grenzen und Märkte geöffnet und einen Binnenmarkt geschaffen. Sein Nutzen übersteigt bei weitem die Kosten, die durch Beiträge zum Mehrjährigen Finanzrahmen entstehen", so Janša.
Nach drei Tagen intensiver Verhandlungen, hauptsächlich in Kleingruppen, stand der EU-Gipfel zum 1,8 Billionen Euro schweren Finanzpaket der Union am Sonntagabend knapp vor dem Scheitern. Aus Diplomatenkreisen verlautete, dass die meisten Mitgliedsstaaten den als "letztes Angebot" der "Sparsamen Vier" präsentierten Vorschlag ablehnen, wonach lediglich 350 Milliarden Euro des EU-Aufbaufonds als Zuschüsse gewährt werden sollen.
EU-Ratspräsident Charles Michel war der Nettozahlergruppe rund um die Niederlande und Österreich bereits am Samstag entgegengekommen, indem er den Zuschussanteil beim Fonds von 500 auf 450 Milliarden Euro reduziert hatte. Die meisten Mitgliedsstaaten sehen 400 Milliarden Euro nun als rote Linie.