Ukraine-Krieg

Kiew berichtet von Rückeroberungen im Osten

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Die ukrainischen Streitkräfte haben offiziellen Angaben zufolge im Osten des Landes weitere Gebietsgewinne erzielt.

Am Frontabschnitt Awdijiwka nördlich der seit 2014 von russischen Kräften besetzten Stadt Donezk sei es gelungen, einen Teil der Siedlung Opytne zu befreien, sagte der Chef der Militärverwaltung von Awdijiwka, Witalij Barabasch, am Sonntag im ukrainischen Fernsehen. Die Angaben ließen sich nicht unmittelbar unabhängig überprüfen.

Opytne liegt am Südrand der Kleinstadt Awdijiwka. Nach Angaben Barabaschs habe das russisches Militär seine Offensivbemühungen vor einigen Tagen nördlich von Awdijiwka konzentriert und dabei die Lage südlich der Stadt außer Acht gelassen. Die Ukrainer hätten mit einem schnellen Angriff in dieser Richtung reagiert. "Der Feind hat es wohl etwas verschlafen", sagte Barabasch. Seinen Angaben nach gehen die Kämpfe in Opytne weiter. Die Russen hatten Opytne eigenen Angaben nach im November vergangenen Jahres erobert.

Awdijiwka: Einer der härtesten umkämpften Frontabschnitte

Der Frontabschnitt um Awdijiwka gilt seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor mehr als 18 Monaten als einer der am härtesten umkämpften. Awdijiwka ist eine stark ausgebaute ukrainische Verteidigungsstellung, die die Russen seit Kriegsbeginn einzunehmen versuchen, um den Druck auf Donezk zu verringern.

Unterdessen warfen Russland und die Ukraine einander Sonntag früh gegenseitig Drohnenangriffe vor. Russland griff der ukrainischen Militärverwaltung zufolge die Hauptstadt Kiew erneut mit Drohnen an. Das russische Verteidigungsministerium wiederum meldete, im Schwarzen Meer seien mehrere ukrainische Marineboote und Drohnen mit Zielrichtung Halbinsel Krim zerstört worden. Überprüfbar waren alle Angaben nicht.

Drei militärische Schnellboote vernichtet

Flugzeuge der Schwarzmeerflotte hätten nordöstlich der Schlangeninsel drei militärische Schnellboote vom US-Typ Willard Sea Force mit Besatzung vernichtet, teilte das Ministerium am Sonntag in Moskau mit. Die Boote seien in Richtung Halbinsel Krim unterwegs gewesen. Zuvor hatte das Ministerium erklärt, dass die Flugabwehr in der Nacht auch Angriffe mit acht Drohnen nahe der Krim-Küste abgewehrt habe.

Die Ukraine hatte zuletzt immer wieder die unter Bruch des Völkerrechts bereits 2014 annektierte Krim angegriffen. Dabei kam es mehrfach zu schweren Explosionen auch auf russischen Militärstützpunkten. Es gab schwere Schäden, Tote und Verletzte. Russland hatte seine Flugabwehr, aber auch die Patrouillen im Schwarzen Meer ausgeweitet, um die Attacken abzuwehren. Die ukrainischen Angriffe stehen in keinem Verhältnis zu den schweren Bombardements durch Russland, das gegen die Ukraine vor mehr als eineinhalb Jahren den Angriffskrieg begonnen hatte.

Befreiung der Halbinsel von der russischen Besatzung

Bei ihrer laufenden Gegenoffensive hatte die Ukraine stets deutlich gemacht, dass es ihr dabei auch um die Befreiung der Halbinsel von der russischen Besatzung gehe. Während die Atommacht Russland davor warnte, sie werde die Krim unter Einsatz aller ihrer zur Verfügung stehenden Mittel verteidigen, zeigt sich Kiew überzeugt, dass Moskau es nicht bis zu einem Einsatz von Nuklearwaffen kommen lässt. Die Ukraine will bei der Offensive vor allem die teils von Russland besetzten Gebiete Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja wieder komplett unter ihre Kontrolle bringen.

Das russische Militär meldete zudem einen Drohnenangriff in der Region Brjansk. Acht von der Ukraine aus gestartete unbemannte Fluggeräte seien zerstört worden. In der Erklärung auf Telegram gibt es keine Hinweise auf Schäden oder Verletzte.

Drohnenangriff auf Kiew

Bezüglich des gemeldeten Drohnenangriffs auf Kiew hieß es am Sonntag seitens des ukrainischen Militärs, 26 der 33 im Iran hergestellten Shahed-Drohnen seien von der Luftverteidigung zerstört worden. Zeugen hörten mindestens fünf Explosionen. "Die Drohnen kamen in Gruppen und aus verschiedenen Richtungen auf die Hauptstadt zu", schrieb der Leiter der Militärverwaltung der Stadt Kiew auf Telegram. Bürgermeister Witali Klitschko sagte, im historischen Viertel Podil sei eine Person verletzt worden, während nahe einem Stadtpark ein Feuer ausgebrochen sei. In mindestens vier Kiewer Stadtbezirken wurden nach Angaben des Zivilschutzes Wohnungen, Autos, Stromleitungen und Verkehrsschilder beschädigt. In der gesamten Region Kiew seien laut der lokalen Behörden unter anderem eine Schule, ein Kindergarten, ein Ausbildungs- und Rehabilitationszentrum sowie acht Wohngebäude zu Schaden gekommen.

Die ukrainische Armee erzielte unterdessen eigenen Angaben zufolge leichte Geländegewinne an der Front im Süden des Landes und eroberte weitere 1,5 Quadratkilometer um die zuletzt befreite Ortschaft Robotyne im Süden. "Wir kommen voran! In der Region Tawrija sind die Streitkräfte mehr als einen Kilometer vorgerückt", erklärte der ukrainische General Oleksandr Tarnawskyji am Sonntag in seinem täglichen Lagebericht. Er leitet die ukrainische Gegenoffensive in der Region.

Verteidigungslinie in Region Saporischschja durchbrochen

Die Ukraine hatte Anfang Juni eine groß angelegte Gegenoffensive gestartet, um die von Russland besetzten Gebiete zurückzuerobern. Beim Vorrücken gegen die russischen Einheiten stoßen die Streitkräfte aber immer wieder auf Gebiete mit Panzerfallen und Minen. Anfang September erklärte Kiew, eine wichtige russische Verteidigungslinie in der Region Saporischschja im Süden des Landes durchbrochen zu haben.

Nach US-Einschätzung läuft den Ukrainern bei der aktuellen Offensive die Zeit davon. Es bleibe der ukrainischen Armee wahrscheinlich noch 30 bis 45 Tage Zeit, bevor das Wetter die Kampfhandlungen erschweren könnte, sagte US-Generalstabschef Mark Milley am Sonntag dem britischen Sender BBC. Dies sei "immer noch eine ordentliche Zeitspanne", so Milley. Die Ukrainer hätten stetige Fortschritte erzielt und eine beträchtliche Kampfkraft aufrechterhalten. In etwa einem Monat komme die Kälte, es fange an zu regnen und werde sehr schlammig. "Dann wird es sehr schwierig zu manövrieren sein, und dann kommt der tiefe Winter", sagte Milley. Im Moment sei es noch zu früh, um zu sagen, ob die Offensive gescheitert sei oder nicht.

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