Tierversuche erfolgreich

Kommt jetzt die mRNA-Impfung gegen HIV/Aids?

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Moderna-Experten führten erfolgreiche Tierversuche an Makaken durch.

Covid-19-Impfstoffpionier Ugur Sahin (Biontech/Mainz) hat bereits Pläne für eine mRNA-Vakzine gegen HIV/Aids bekanntgegeben. Wissenschafter des Nationalen US-Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID) führten jetzt mit Moderna-Experten auf der Basis von mRNA erstmals erfolgreiche Tierversuche mit einem experimentellen Impfstoff durch. Makaken konnten vor Infektionen mit HIV-ähnlichen Retroviren geschützt werden.

"Trotz Bemühungen der weltweiten Forschungsgemeinschaft über vier Jahrzehnte hinweg ist eine wirksame Vakzine zur Verhinderung einer HIV-Infektion bisher ein unerreichbares Ziel geblieben. Dieser experimentelle mRNA-Impfstoff kombiniert mehrere Eigenschaften, mit denen man die Defizite ähnlicher experimenteller Impfstoffe womöglich überwinden kann. Das könnte einen vielversprechender Weg darstellen", sagte NIAID-Direktor Anthony Fauci, seit Jahrzehnten auch in der HIV/Aids-Forschung aktiv.

Verschiedenste Vakzine

Die mRNA-Technologie stellt eine Plattform dar, mit der die verschiedensten Vakzine entwickelt werden können. Erst vor kurzem hat Biontech (Mainz) von der US-Arzneimittelbehörde ein Schnell-Zulassungsverfahren für einen Melanom-Impfstoff auf mRNA-Basis zugesagt erhalten. Das deutsche Unternehmen hat sich seit Jahren in der Entwicklung von Tumorvakzinen mit mRNA-Technik engagiert, startete aber Anfang 2020 sofort in die Covid-19-Impfstoffentwicklung. Einer der Konkurrenten ist das US-Biotech-Unternehmen Moderna.

Die Neuentwicklung stammt aus dem NIAID. Paolo Lusso vom Labor für Immunregulation: "Die experimentelle (HIV/Aids-)Vakzine funktioniert wie die mRNA-Covid-19-Impfstoffe. Aber anstatt den mRNA-Bauplan für das Spike-Protein des Coronavirus zu haben, wird mit der Vakzine der Bauplan für zwei hauptsächliche HIV-Proteine verabreicht: Env und Gag." Das Env-Protein stellt die Hülle der HI-Viren dar, das Gag-Eiweiß kommt im Kern der Aids-Erreger vor. Ganz ähnlich ist das bei den Affen-Aids-Viren (SIV). Im Gegensatz zur Hülle des Retrovirus, welches die Immunschwächekrankheit hervorruft, unterliegt Gag kaum Mutationen.

Das US-Wissenschafterteam, zu dem auch Experten von Moderna gehörten, konstruierte seine mRNA-Vakzine so, dass Zellen nach der Injektion Virus-ähnliche Partikel (Virus-like Particles) aus Gag-und Env-Protein nach dem Vorbild des Bauplans produzieren. "Obwohl diese VLPs keine Infektion und keine Krankheit auslösen können, weil sie nicht genetische Information von HIV enthalten, gleichen sie ganzen HI-Viren und stimulieren so entsprechende Immunreaktionen", schrieben die Experten am Freitag in einer Aussendung des staatlichen US-Institutes zur Publikation ihrer Ergebnisse in der Fachzeitschrift "Nature Medicine". Zunächst hatte sich herausgestellt, dass die VLPs mit Gag- und Env-Proteinen besser wirkten als mRNA für das Env-Eiweiß allein.

Acht Dosen

Der Impfstoff wurde dann an Primaten (Makaken) getestet. "Die Tiere erhielten im Verlauf eines Jahres insgesamt acht Dosen eines mRNA-Impfstoffes, darunter waren vier heterologe Impfungen, die das 'Env'-Gen eines anderen HIV-Stammes enthielten. Das 'Gag'-Gen stammte jeweils von einem simianen (Affen-)Immunschwäche-Virus (SIV), einem Verwandten von HIV, das Affen infiziert. Hinzu kamen noch zwei Impfungen mit einem konventio¬nellen Proteinimpfstoff. Am Ende der Serie aus insgesamt zehn Dosen hatten alle geimpften Makaken neutralisierende Antikörper gegen verschiedene HIV-Stämme entwickelt. Neben neutralisierenden Antikörpern induzierte der VLP-mRNA-Impfstoff auch eine robuste T-Helfer-Zell-Antwort", schrieb das Deutsche Ärzteblatt zu den Resultaten.

Die Primaten wurden schließlich 13 Mal (wöchentlich) Infektionen mit HIV-artigen Erregern (SHIV) ausgesetzt. Die ersten Ergebnisse: Während sich in einer Kontrollgruppe alle nicht-geimpften Tiere innerhalb von drei Wochen infizierten, blieben von sieben geimpften Makaken zwei ohne Infektion. Bei den anderen fünf geimpften Makaken wurde der Beginn der Infektion deutlich hinausgezögert. Die Schutzrate betrug damit 79 Prozent und war statistisch signifikant.

"Wir verbessern jetzt die Anwendung der Vakzine sowie die Qualität und die Quantität der Virus-ähnlichen Partikel. Das könnte die Wirksamkeit des Impfstoffes verbessern und zu einer Verringerung der Zahl der notwendigen Impfungen zum Erreichen einer starken Immunantwort führen. Wenn das erfolgreich ist, werden wir eine Phase-I-Studie an gesunden Erwachsenen planen", sagte Lusso.

Auf eine HIV/Aids-Impfung wartet die Welt seit Ausbruch dieser Pandemie in den frühen 1980er-Jahren. Über mehrere Jahrzehnte sind alle Versuche gescheitert, einen wirksamen Aids-Impfstoff zu entwickeln. Zuletzt hatte eine geplante Impfung (RV144), die zuvor eine Schutzwirkung von rund 30 Prozent in Thailand gezeigt hatte, in einer Studie in Südafrika versagt. 

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