Nach Gaddafis Sturz

Libyen wählt erstmals neues Parlament

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In einigen östlichen Städten gab es allerdings Störversuch.

Mit großer Begeisterung haben die Libyer am Samstag die ersten Wahlen zur Nationalversammlung seit dem Sturz von Muammar al-Gaddafi gefeiert. Vor Wahllokalen in der Hauptstadt Tripolis bildeten sich am Morgen lange Schlangen. In einigen östlichen Städten gab es allerdings Störversuche von Anhängern der Föderalismusbewegung und Sympathisanten des alten Regimes.

Wahllokale verwüstet
Das Nachrichtenportal "Qurayna" meldete, in Gaminis, 45 Kilometer westlich von Benghazi, seien drei Wahllokale verwüstet worden. In Ajdabiya 160 Kilometer südwestlich von Benghazi konnten nach Angaben von Behördenvertretern mehrere Wahllokale nicht geöffnet werden, da dort am Donnerstag bei einem Brandanschlag Stimmzettel, Wählerlisten und Wahlurnen vernichtet worden waren.

Auch in Wüstenstädten wie Djalo und Odjla im Südosten des Landes mussten Wahllokale nach offiziellen Angaben geschlossen bleiben, weil die Wahlunterlagen in einem Flugzeug auf der Landebahn von Sueitina von Demonstranten blockiert wurden. Bereits am Freitag hatten Gegner des Urnengangs einen Hubschrauber der Wahlkommission in Benghazi beschossen und dabei einen Mitarbeiter der Kommission getötet. Zuvor hatten Demonstranten mehrere Öl-Terminals besetzt.

Die Föderalisten beklagen die angebliche Benachteiligung der östlichen Gebiete und streben eine weitgehende Autonomie an. Zum Boykott der Wahl haben auch Gruppen aus dem Osten aufgerufen, die meinen, die Zahl der aus ihrer Region besetzten Sitze im Nationalkongress sei zu gering.

Nationalkongress statt Übergangsrat
Die Zwischenfälle wurden von der Zentralregierung in Tripolis bestätigt, der Vorsitzende der Wahlkommission, Nuri al-Abbar, betonte am Samstag jedoch vor Medienvertretern in Tripolis, in 94 Prozent der Bezirke sei die Wahl normal abgelaufen. Noch in der Nacht seien frisch gedruckte Stimmzettel nach Libyen geflogen worden, hieß es am internationalen Flughafen von Kairo, wo eine libysche Maschine Zwischenstation machte. Übergangsregierungschef Abdel Rahim al-Kib sagte während seiner Stimmabgabe zu Reportern: "Die ganze Welt wurde überrascht vom Erfolg der libyschen Revolution, und genauso wird sie überrascht werden vom Erfolg dieser Wahl."

Der neue Allgemeine Nationalkongress soll den Übergangsrat ablösen, den Funktionäre und Aktivisten während der Revolution informell gebildet hatten, und wird 200 Abgeordnete haben. Um die Mandate bewerben sich insgesamt 3707 Kandidaten. 120 Mandate werden an Direktkandidaten vergeben, 80 Sitze gehen an die Kandidaten politischer Bündnisse. Um 20.00 Uhr MESZ schließen die Wahllokale, erste Ergebnisse aus einzelnen Städten werden frühestens am Sonntag erwartet. Mit einem Endergebnis kann erst am Montag oder Dienstag gerechnet werden. Ähnlich wie in Tunesien und Ägypten dürften Experten zufolge auch in Libyen vor allem islamistische Parteien bei der Wahl zum Zuge kommen.

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