Karl Wendl vor Ort

Libyen: USA planen Krieg

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Drei Varianten für US-Invasion. EU will Sanktionen verschärfen.

Jetzt droht ein Krieg mit internationaler Beteiligung – wie etwa in Afghanistan. Die USA überlegen, wie die Army Gaddafi stürzen kann.

Jetzt könnte in Libyen ein gewaltiger Krieg mit internationaler Beteiligung ausbrechen.US-Streitkräfte bereiten sich intensiv vor. Die Kampfschiffe Kearsarge und Ponce ankern im Mittelmeer vor der Küste. Zahlreiche kleine, wendige Boote stehen zur Unterstützung bereit. An Bord: Elitesoldaten des 26. Marinekorps. Für den Angriff gibt es einige Varianten:

  1. Sondereinheiten schleusen sich ins Land, kämpfen auf der Seite der Aufständischen. Deren Kampfkraft wäre enorm erhöht, Gaddafis Regime wäre bald gestürzt – so der amerikanische Plan.
  2. US-Kampfjets zerstören den gesamten Funk der Gaddafi-Armee. Ohne Kommunikation wäre sie hilflos.
  3. Letzte Möglichkeit: Die USA versorgen die Aufständischen mit Waffen.

Viele Länder wollen helfen
Am meisten gefürchtet sind die Luftangriffe der Gaddafi-Getreuen gegen die Rebellen. Jetzt fordern viele Staaten, aber vor allem die Rebellen, eine Flugverbotszone – somit könnte das Volk nicht mehr bombardiert werden.

Für eine Flugverbotszone tritt mittlerweile sogar die Arabische Liga ein.

Spanien spricht sich hingegen gleich für einen richtigen Militärschlag aus. Allerdings erst, nachdem der UNO-Sicherheitsrat seinen Sanktus gegeben hat. Die EU feilt weiter an wirtschaftlichen Sanktionen, vor allem gegen den libyschen Staatsfonds, der in Österreich 31 Milliarden Dollar geparkt hat.

Die humanitäre Lage ist dramatisch. Die UN rechnete: 500.000 Libyer sind auf der Flucht. Eine gigantische Flüchtlingswelle erwartet Europa. In Italien ist sie teilweise angekommen.

Blutige Angriffe
Während eine Lösung gesucht wird, geht das blutige Massaker weiter.Gaddafi versucht, verlorene Städte wieder einzunehmen. Er beschießt sein eigenes Volk.
Derzeit konzentrieren sich die Kriegshandlungen auf vier wichtige Öl-Städte:

  • Az-Zawiya: Hier liegt ­Libyens älteste Raffinerie
  • Sirte: In Gaddafis Geburtsstadt liegt ein wichtiger Hafen für Ölexporte.
  • Tobruk: Hier enden Öl-Pipelines, die Ware wird auf Schiffe geladen.
  • Ras Lanuf: Die zweitwichtigste Öl-Stadt des Landes. Seit Freitag Schauplatz heftiger Kämpfe.


Reporter Karl Wendl schreibt aus Feldspital:

Karl Wendl an einem Krankenbett im provisorischen Spital.
© TZ ÖSTERREICH/Wendl

Karl Wendl an einem Krankenbett. - © TZ ÖSTERREICH/Wendl

Jetzt ist die Front zu hören. Dumpfes Grollen der Granaten. Knattern der 23-Millimeter-Luftabwehrkanonen. Ich bin in einem Feldkrankenhaus zwischen Ras Lanuf und Brega. Früher diente das Spital den Arbeitern der SERT-Oil-Gesellschaft. Chef der Klinik ist Doktor Ahmed Hamad (42), ein Ägypter. Er hat zwei weitere Chirurgen, fünf Anästhesisten: "Verletzte kommen im Minutentakt."

Kühlraum für Tote
Das Spital ist kaum mehr als eine Erste-Hilfe-Station: Operationsraum, Intensivzimmer, Kühlraum für die Toten. 52 Verletzte sind allein am Montag eingeliefert worden: "Sie kamen aus Ben Jawad." Den Ort hatten die Rebellen am Sonntag erobert. Montag kam der Gegenangriff.

Ich stehe am Krankenbett eines verwundeten Rebellen, am Boden Blut. Der Mann ist kaum 20. Jetzt hat er Granatsplitter im Oberschenkel, in der Hüfte: "Sie kamen nach Sonnenaufgang", flüstert er: "Granatbeschuss, von allen Seiten, wir mussten zurück." Schwere Waffen hätten sie nicht einsetzen können, erzählt er: "Sie verwenden die Bewohner von Ben Jawad als lebende Schutzschilde."

Friendly fire
Inzwischen verfügen die Rebellen über schweres Gerät. Ihnen fielen SA-7-Raketen der Truppen in die Hände. Russische Boden-Luft-Raketen, die sich an Triebwerke von Flugzeugen ansaugen. Ich sah einen älteren Mann, auf der Schulter eine SA-7-Rakete.
"Wir haben viele Verwundete mit schweren Verbrennungen", sagt Doktor Habib Mortadi, ein Anästhesist: "Friendly fire, Verbrennungen, die entstanden, weil Granaten in die falsche Richtung abgefeuert wurden." Denn: Bloß drei Tage Ausbildung bleiben, dann werden die Rebellen direkt an die Front geschickt: "Sie hantieren mit Waffen, die sie nicht beherrschen", so die Ärzte.

Seit Montag greift die Luftwaffe massiv die von den Rebellen gehaltene Ölstadt an: "Sie sollten sich jetzt auch zurückziehen", warnt Dr. Hamad: "Niemand kann sagen, wie stark Gaddafis Armee wirklich ist, welche Waffen er noch hat."
 

EU will Öl-Lieferung stoppen

Die Aufregung war ab Sonntag perfekt: ÖSTERREICH berichtete, dass die OMV nach wie vor Öl aus Libyen bezieht. Ein Umstand, den die OMV ÖSTERREICH bestätigt hatte.

Ein Vorgang, der für Kopfschütteln sorgte, aber nicht gegen die UN-Sanktionen verstößt. Das soll sich ab morgen ändern. Die EU-Außenminister berieten sich am Montag über weitere Sanktionen gegen Muammar Gaddafis Libyen. Großbritannien brachte – wie von ÖSTERREICH angekündigt – einen Antrag ein, um auch die Ölfirmen aus Libyen auf die EU-Sanktionsliste zu setzen. Damit dürfte kein Öl mehr aus Libyen in ein EU-Land geliefert werden.

Seit Beginn des Aufstandes in Libyen dürfte Gaddafi mehrere Hundert Millionen mit Ölexporten verdient haben.

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