Am Rande des EU-Gipfels in Brüssel kam es zum Eklat zwischen der Briten-Chefin und dem Kommissionspräsidenten.
Gereizte Stimmung auf dem EU-Gipfel in Brüssel: Nach den zähen Brexit-Gesprächen sind die britische Premierministerin Theresa May und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aneinandergeraten. Stein des Anstoßes war Junckers Äußerung vom Donnerstagabend, die Brexit-Gespräche mit den Briten seien "nebulös und unpräzise".
May wollte dies nicht auf sich sitzen lassen. Sie stellte Juncker zur Rede, als sie ihn am Freitagmorgen im Ratsgebäude traf.
"Wie haben Sie mich genannt?!"
Eine Fernsehkamera hielt die Szene im EU-Ratsgebäude fest, der britische Sender Channel 5 ließ sie von einem Experten für Lippenlesen untersuchen. "Wie haben Sie mich bezeichnet?", herrschte May den Kommissionspräsidenten demnach an. "Sie haben mich als nebulös bezeichnet. Ja, das haben Sie gemacht."
Auf ihrer Pressekonferenz berichtete May später, sie habe ein "robustes" Gespräch mit Juncker geführt. Dieser habe ihr versichert, dass er mit dem Wort "nebulös" lediglich den allgemeinen Stand der Debatte charakterisiert habe.
Juncker würdigt May als "Frau mit viel Mut"
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat angesichts kolportierter Spannungen beim Thema Brexit am Gipfel der Staats- und Regierungschefs das Verhalten der britischen Premierministerin Theresa May gewürdigt. May sei eine "Frau mit viel Mut".
Die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen der EU mit Großbritannien sollten früher starten. Juncker sieht dies auch als "gutes Zeichen" der EU gegenüber den Briten angesichts des "Misstrauens vieler im britischen Parlament". Allerdings bleibe der bestehende Austrittsvertrag unangetastet.
Angesprochen auf die in britischen Medien kritisierte Aussage von ihm über ein nebulöses Verhalten Großbritanniens beim Brexit konzedierte Juncker, dass er dies nicht gegenüber May persönlich gemeint habe, sondern gegenüber dem britischen Verhalten generell. "Ich wusste gar nicht, dass es dieses Wort im englischen gibt. Aber ich habe mich nicht auf sie (May, Anm.) bezogen, sondern auf den Gesamtzustand der Debatte. Da meinte ich nebulös, verschwommen, neblig. Also das habe ich zu ihr gesagt. Und im Lauf des Vormittags hat sie mich geküsst". Jedenfalls "haben wir nicht getanzt", so Juncker launig.
Tusk unterstrich Respekt gegenüber May von alles Seiten
EU-Ratspräsident Donald Tusk unterstrich, dass "wir May mit allergrößtem Respekt behandelt haben. Alle von uns". Sein Eindruck sei, dass "wir May mit viel mehr Verständnis und Respekt behandelt haben als einige britische Abgeordnete. Das ist sicher". Juncker fügte hinzu, May sei "eine gute Freundin für uns". Angesichts von Rücktrittsforderungen an May wandte sich Juncker zu Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und meinte, "das wird auch bald auf Sebastian zukommen".
Im Zusammenhang mit dem Beschluss des EU-Gipfels zu Desinformation machte Juncker einen Seitenhieb auf den ungarischen Premier Viktor Orban. "Desinformation findet sich ja nicht nur im Lager der Fakenewser. Ich habe gesagt, dass einige der Premierminister die Quelle von Desinformation sind. Wenn Orban sagt, dass ich schuld am Brexit bin, ist das Desinformation. Wenn er sagt, Migranten sind schuld am Brexit, ist das auch Desinformation. Man kann nicht die gesamte Verantwortung anderen zuschieben, sondern man muss auch in den eigenen Busen schauen".