Mehr als fünf von sechs Verdachtsfällen werden bei Amtsärzten bestätigt.
Personen, die ihre Fahrzeuge unter dem Einfluss verbotener Substanzen durch den Wiener Verkehr steuern, werden ein immer größeres Problem. Das zeigt nicht zuletzt die Bilanz des ersten Halbjahres 2017: Bis 30. Juni wurden 597 Personen dem Amtsarzt vorgeführt, 515 von ihnen wegen Fahrens unter Drogeneinfluss auch angezeigt. Im selben Zeitraum erwischte die Wiener Exekutive 2.057 Alkolenker.
Dafür wurden aber mehr als 200.000 Alkoholvortests durchgeführt. Entsprechende Drogenvortestgeräte befinden sich gerade erst im Testbetrieb. Es wird noch einige Zeit dauern, bis sie der Polizei flächendeckend zur Verfügung stehen. Zumindest bis dahin ist die Menschenkenntnis und das geschulte Auge der Beamten das wichtigste Asset im Kampf gegen den Suchtgiftmissbrauch am Steuer. Davon konnten sich Journalisten am Montagabend bei einem Suchtmittel-Verkehrsplanquadrat der Meidlinger Polizeiinspektion Hufelandgasse überzeugen, die seit etwa fünf Jahren große Erfolge vorweisen kann.
Auch am Montag gingen den 26 eingesetzten Beamten allein in den ersten acht Stunden des Schwerpunkts mehr als 20 durch Suchtmittel beeinträchtigte Lenker ins Netz. Kurz nach 19.30 Uhr fuhren die Beamten Reinhard S. und Michael I. von der Inspektion weg. Nicht einmal zehn Minuten später rauschte ein älterer Mazda viel zu schnell und viel zu laut am Gürtel am zivilen Wagen der Polizisten vorbei. Diese schalteten das Blaulicht ein und winkten den Fahrer auf der Eichenstraße zur Seite.
Es folgte eine genaue Kontrolle des Pizzalieferanten. Dabei stellte sich unter anderem heraus, dass er weder Verbandskasten noch das Pannendreieck noch die Warnweste im Wagen hatte. Ebenso wenig konnte der 41-jährige serbische Staatsbürger einen Führerschein vorweisen. Endgültig misstrauisch wurden die beiden Polizisten, als der Verkehrsteilnehmer beim Öffnen der Motorhaube mehr oder weniger hektisch an der Batteriehalterung herumschraubte, weil diese nicht befestigt war.
Nicht zuletzt wegen dieses seltsamen Verhaltens nahmen die Beamten ihn auf die Inspektion mit. Dort stellte sich heraus, dass der 41-Jährige, der in Favoriten wohnt, seit Jahren keine Lenkerberechtigung hatte und drei Anträge zur Wiedererlangung derselben abgewiesen worden waren. Dazu kam ein aufrechtes Waffenverbot, das er mit den Worten "ich war ein Gangster" quittierte. Weiters stellte sich heraus, dass gegen ihn zahlreiche Verwaltungsstrafen bestanden, die er offenbar prinzipiell nicht beglichen hatte. In Gewahrsam nehmen konnten ihn die Beamten aber nicht, weil er heuer dafür bereits im Gefängnis gewesen war und bis Mitte November für einen weiteren Aufenthalt im Arrest gesperrt war.
Auffällig war aber, dass der 41-Jährige in der Inspektion richtig "aufdrehte". Er wisse nicht, wieso er hier sei. Das sei reine Schikane und er habe keine Zeit, das hätte doch alles draußen bei seinem Auto erledigt werden können. Einen Urintest hatte er bereits abgeliefert, was einen Hinweis für sein aufbrausendes Verhalten lieferte. Der Test war in Bezug auf THC und das aufputschende Kokain positiv gewesen. Der Amtsarzt stellte schließlich noch Spuren von Kokain in der Nase des Mannes fest. "Er hat Kokain genommen und sich ins Auto gesetzt", konstatierte der Mediziner. Den Bluttest verweigerte dieser, womit er die in der Straßenverkehrsordnung vorgesehene Höchststrafe zu erwarten hat.
Der Amtsarzt wies darauf hin, dass die spezielle Schulung der Polizeibeamten extrem wichtig sei, um Drogenlenker zu erkennen. Nicht zuletzt seien diese gefährlich, für sich und andere. Lenker unter Drogeneinfluss würden ihre Umwelt verändert wahrnehmen, etwa unter Cannabiseinfluss sehr verlangsamt. Das Problem sei unter anderem fehlendes Unrechtsbewusstsein, "wenn sie Cannabis konsumiert haben", sagte der Mediziner. "Man muss appellieren: Liebe Kiffer, bitte lasst Euer Auto stehen", warnte der Polizeiarzt.
Häufig haben es die Beamten allerdings mit Mischintoxikationen zu tun. Cannabis und Alkohol finden sie häufig in Kombination, aber auch Kokain in Verbindung mit Cannabis. "Das ist typisch: Zuerst dämpfe ich mich (mit Cannabis, Anm.) und dann drehe ich mich auf (durch das Kokain)", erläuterte der Mediziner. Oder umgekehrt.
Der Amtsarzt ist seit etwa 2012 immer wieder mit der Belegschaft der Polizeiinspektion Hufelandgasse bei solchen Schwerpunkten im Einsatz. Alle zwei bis drei Monate setzen sie diese Aktionen, etwa vier- bis fünfmal pro Jahr, erläuterte Kontrollinspektor Andreas G. Allein 2015 wurden von den Beamten der Inspektion 340 Drogenlenker erwischt. Das war irgendwo zwischen einem Drittel und der Hälfte aller in Wien aus dem Verkehr gezogenen Autofahrer, die unter dem Einfluss von illegalen Substanzen unterwegs waren.