raketen kabul.PNG

Evakuierungen vor Ende

Mehrere Raketen auf Flughafen Kabul abgefeuert

Teilen

Viel Zeit bleibt nicht mehr bis zum geplanten vollständigen Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan. Nun werden Wegegesucht, auch danach Menschen aus dem Land bringen zu können.

In der afghanischen Hauptstadt Kabul hat es einem Medienbericht zufolge einen Raketenangriff gegeben. Am Montagmorgen (Ortszeit) seien aus dem Norden der Stadt mehrere Raketen in Richtung Flughafen abgefeuert worden, schrieb der lokale Fernsehsender ToloNews mit Berufung auf Augenzeugen auf Twitter. Der Fernsehsender CNN berichtete und Berufung auf US-Regierungsmitarbeiter, dass mindestens fünf Raketen in Richtung Flughafen abgefeuert worden seien.

Über mögliche Opfer oder Schäden gab es zunächst keine Informationen. Der Flughafen verfügt über ein Raketenabwehrsystem. Dieses wurde erst vor wenigen Wochen getestet. In sozialen Medien wurden Videos geteilt, die ein brennendes Auto zeigen sollen, aus dem die Raketen abgefeuert worden sein sollen.

Biden warnte vor Anschlägen

US-Präsident Joe Biden hatte am Sonntag vor möglichen weiteren Anschlagen rund um den Flughafen Kabul gewarnt. Erst am Donnerstag waren bei einem Anschlag der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am Flughafen Kabul mindestens 13 US-Soldaten - und -soldatinnen sowie zwei Briten ums Leben gekommen. Die Angaben über die afghanischen Todesopfer schwanken, Sender wie CNN sprachen von bis zu 200 Toten.

Am Montag wollen UN-Generalsekretär António Guterres und die Vertreter der ständigen Sicherheitsrats-Mitglieder über eine mögliche UN-Sicherheitszone in Kabul sprechen. Frankreich und Großbritannien wollen das im UN-Sicherheitsrat durchsetzen. "Unser Resolutionsentwurf zielt darauf ab, eine Sicherheitszone in Kabul zu definieren, die eine Fortsetzung der humanitären Operationen ermöglicht", sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron der Zeitung "Le Journal du Dimanche". US-Außenminister Antony Blinken will den weiteren Umgang mit Afghanistan unter anderem mit Vertretern Deutschlands, Katars, der Türkei und der EU besprechen.

Lösungen werden gesucht

Der deutsche Außenminister Heiko Maas zeigte sich am Sonntag während eines Besuchs im türkischen Antalya offen für den französischen Vorschlag. Ob das dann die Vereinten Nationen oder einzelne Länder mit "Kommunikationskanälen" zu den militant-islamistischen Taliban machen sollten, "muss man sehen", sagte Maas nach einem Gespräch mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Maas wollte seine Reise am Montag in Usbekistan fortsetzen. Er besucht insgesamt fünf Länder, die eine Rolle bei weiteren Bemühungen um die Ausreise Schutzsuchender spielen.

In einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung von mehr als 20 Ländern - darunter die USA und Deutschland - hieß es, man habe von den Taliban Zusicherungen erhalten, dass "alle ausländischen Staatsangehörigen und alle afghanischen Staatsbürger mit einer Reisegenehmigung aus unseren Ländern sicher und geordnet zu Abflugorten sowie aus dem Land reisen dürfen".

China mat USA "mitverantwortlich"

US-Außenminister Anthony Blinken telefonierte nach Angaben seines Ministeriums am Sonntag mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi. Es sei darum gegangen, die Taliban für ihre Zusagen für das sichere Reisen von Afghanen und anderen Staatsangehörigen zur Verantwortung zu ziehen. Chinas Außenminister Wang Yi machte die USA für die "chaotische" Situation in Afghanistan mitverantwortlich. Der Krieg in Afghanistan habe sein Ziel, terroristische Kräfte zu beseitigen, nicht erreicht, sagte er laut der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua in dem Telefonat mit Blinken. Der übereilte Abzug der US- und NATO-Truppen würde nun wahrscheinlich dazu führen, dass Terrororganisationen zurückkehren würden.

Unterdessen griff das US-Militär am Sonntag nach eigenen Angaben mit einer Drohne ein Auto des örtlichen IS-Ablegers in Kabul an. Nach dem Anschlag vom Donnerstag mit Dutzenden Toten wurde damit möglicherweise ein weiterer schwerer Terrorangriff verhindert. Es habe nach dem Luftangriff eine "bedeutende sekundäre Explosion" gegeben, teilte das US-Zentralkommando mit. Das lasse vermuten, dass das angegriffene Fahrzeug wohl eine große Menge Sprengstoff geladen hatte, teilte Sprecher Bill Urban mit. Eine "unmittelbare Bedrohung" für den Flughafen sei beseitigt worden. US-Präsident Joe Biden warnte, dass die Lage in Kabul "extrem gefährlich" bleibe.

Das US-Militär prüft nach dem Luftangriff auf das Auto Berichte über mögliche zivile Opfer. Der Einsatz habe erfolgreich eine "unmittelbare Bedrohung" für den Flughafen Kabul durch die Terroristen abgewendet, darüber hinaus würden die Ergebnisse des Luftschlags noch geprüft, hieß es am Sonntagabend (Ortszeit) in einer Stellungnahme der US-Kommandozentrale für die Region (Centcom). In dem zerstörten Fahrzeug habe sich "eine große Menge Sprengstoff" befunden, "die womöglich zu weiteren Opfern führte", hieß es. "Es ist nicht klar, was passiert sein könnte und wir untersuchen das weiterhin. Wir wären sehr traurig über den möglichen Tod Unschuldiger", hieß es in der Stellungnahme des Militärs weiter. Der lokale Fernsehsender ArianaNews berichtete unter Berufung auf Augenzeugen, dass sechs Menschen, darunter vier Kinder, beim Einschlag einer Mörsergranate in einem Kabuler Privathaus nahe des Flughafens getötet worden seien. Es war nicht klar, ob diese Opfer möglicherweise nicht einer Mörsergranate, sondern dem US-Luftangriff zuzurechnen gewesen seien.

Bedrohung weiterhin hoch

Die Bedrohung durch Anschläge am Flughafen ist weiter sehr hoch. Am Donnerstag hatte sich dort laut US-Angaben ein Attentäter der IS-Terrormiliz an einem Tor in die Luft gesprengte. Bei dem Anschlag wurden Dutzende getötet, darunter auch 13 US-Soldaten. Das US-Militär hatte zunächst mit einem Drohnenangriff in der Provinz Nangarhar reagiert und nach eigenen Angaben zwei ranghohe Vertreter des IS-Ablegers getötet.

Die deutsche Bundeswehr hatte ihren Evakuierungseinsatz am Donnerstag beendet, Frankreich, Spanien und Großbritannien folgten am Freitag und Samstag. Die USA wollen noch bis Dienstag Menschen aus dem Land bringen. Seit Mitte August sind nach Angaben des Weißen Hauses gut 114.000 Menschen aus Afghanistan ausgeflogen worden.

 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.