Deutscher Kanzler

Merz mit Ansage: "Leben seit Jahren über unsere Verhältnisse"

Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hat energische Reformen der Sozialsysteme angemahnt, zugleich aber in den eigenen Reihen um Kompromissbereitschaft mit der SPD geworben. 

"Wir können uns dieses System, das wir heute so haben, mit dem, was wir wirtschaftlich erwirtschaften in der Bundesrepublik Deutschland, einfach nicht mehr leisten", sagte der CDU-Vorsitzende am Samstag auf einem Landesparteitag der CDU-NRW in Bonn. "Wir leben seit Jahren über unsere Verhältnisse."

Merz mahnt Bürgergeld-Reform an

Erneut mahnte er eine deutliche Reform des Bürgergeldes an und verwies darauf, dass es zwar drei Millionen Arbeitslose, zugleich aber Hunderttausende offene Stellen gebe. "Ich sage es ganz ruhig, aber auch sehr klar und bestimmt: So wie es jetzt ist, insbesondere im sogenannten Bürgergeld, kann es nicht bleiben und wird es auch nicht bleiben."

Merz sprach auch mit Blick auf die außenpolitischen Herausforderungen davon, dass sich Deutschland und Europa in einem Epochenbruch befänden und die Regierung die Wirtschaftspolitik ins Zentrum der Anstrengungen stellen müsse. Es sei aber völlig falsch, dabei die Außen- und die Innenpolitik gegeneinander auszuspielen. "Mein Engagement in der Außenpolitik ist nicht eine Flucht in die Außenpolitik oder in die Europapolitik", betonte Merz. "Außenpolitik ist Sicherheitspolitik und Friedens- und Freiheitspolitik für Deutschland. Europapolitik in Brüssel und in Straßburg ist Innenpolitik und Wirtschaftspolitik für Deutschland." Wenn er sich dort nicht engagiere, könne man alle Anstrengungen um die Innenpolitik vergessen.

Bund will deutschen Gemeinden bei Schuldenabbau helfen

Kurz vor den NRW-Kommunalwahlen am 14. September sagte Merz zu, dass der Bund ab dem 1. Jänner 2026 Hilfe beim Abbau der kommunalen Altschulden anbieten werde. Er warnte aber, dass die Hilfe des Bundes nicht den Handlungsdruck und die Sparnotwendigkeit auf allen staatlichen Ebenen mindere. "Wir verbinden das auch mit der klaren Botschaft und Erwartung, dass wir zwischen Bund, Ländern und Gemeinden einen Weg finden, wie wir die immer weiter explodierenden Ausgaben auf der kommunalen Ebene gemeinsam in den Griff kriegen."

Konsolidierung der Haushalte sei "verdammt schwer", aber sehr wichtig. Man müsse der Bevölkerung vermitteln, dass zwei große Sondervermögen für die Bundeswehr und Infrastrukturinvestitionen am Konsolidierungsdruck in den öffentlichen Haushalten nichts ändere. Hintergrund ist auch die Warnung von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD), dass im Haushalt 2027 ein Milliardenloch in Höhe von 30 Milliarden Euro drohe. Immerhin habe sich die Investitionsbereitschaft vieler Firmen seit dem Regierungswechsel wieder deutlich verbessert, betonte Merz.

Werben um Zusammenarbeit mit der SPD

Angesichts der Kritik aus der Union an angeblich zu vielen Zugeständnissen an die SPD mahnte Merz aber auch Realismus an. Man habe nun einmal eine Koalition mit der SPD. "Lassen Sie uns auch mit den Sozialdemokraten zusammen zeigen, aus der Mitte des Landes, aus der Mitte unserer Gesellschaft heraus, aus der Mitte der gesellschaftspolitischen Strömungen heraus, Entscheidungen möglich sind, die das Land voranbringen." Er halte wenig davon, von der "letzten Patrone" der Mitte-Parteien gegenüber der AfD zu sprechen, sagte er in Anspielung auf einen Begriff von CSU-Chef Markus Söder. Aber es gebe eine Radikalität von links außen "und vor allem von rechts außen", die mit ihren "apodiktischen politischen Vorstellungen ... am Ende des Tages nicht mit der Demokratie vereinbar" seien. Eine Demokratie lebe vom Ringen um Kompromisse und gemeinsamen Entscheidungen.

"Wir muten den Sozialdemokraten einiges zu, die uns auch", betonte der CDU-Chef. Aber man sei nun einmal in einer gemeinsamen Regierung. "Und wir wollen den Erfolg dieser gemeinsamen Regierung", sagte Merz auch in Anspielung auf die Klausurtagung der Fraktionsspitzen von CDU/CSU und SPD in Würzburg.

SPD: Merz sollte sich Abmachungen zu Herzen nehmen

Aus der SPD kam Kritik an den Aussagen des deutschen Kanzlers zu Sozialreformen. "Merz' heftige Attacken gegen unseren Sozialstaat passen nicht zu den sachlichen Gesprächen der Koalitionsfraktionen gerade in Würzburg", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, dem "Tagesspiegel" mit Blick auf die zurückliegende Klausurtagung.

Auch die SPD sehe sozialpolitischen Reformbedarf, man habe sich in Würzburg aber gegenseitig zugesichert, nicht die schnelle Schlagzeile zu suchen, sondern die anstehenden Reformen sachlich miteinander zu beraten. "Es wäre gut, auch der Kanzler nähme sich diese Abmachung zu Herzen", sagte Fechner.

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