Polizeigewalt und Parteienstreit

Mursi gerät in Ägypten unter Druck

Teilen

Brutalität korrupter Polizeibeamter war 2011 Hauptgrund für Aufstand gegen Mubarak.

Mit einem Reisigbesen fegt ein Straßenkehrer im grünen Overall kleine Betonbrocken zusammen. Wütende Demonstranten hatten sie am vergangenen Wochenende aus der Fassade des Hotels Semiramis herausgebrochen, um die Polizei damit zu bewerfen. Das Fünf-Sterne-Hotel am Nil ist seither geschlossen. Denn niemand weiß, wann die Randale im Viertel wieder losgeht.

Das Hotel liegt in der Nähe des Tahrir-Platzes, wo sich seit zwei Jahren immer wieder Unzufriedene zu Protestaktionen versammeln. In einer nahe gelegenen Moschee findet das Totengebet für den jüngsten "Märtyrer" der Protestbewegung statt. Mohammed al-Guindi soll nach einer Demonstration von der Polizei in ein Gefängnis gebracht und dort schwer misshandelt worden sein. Eine Woche später ist er tot. Al-Guindis Schicksal und ein Video, auf dem zu sehen ist, wie Polizisten bei einer Protestaktion in Kairo einen 50 Jahre alten Familienvater ausziehen und mit Stöcken traktieren, sind in Kairo seit Tagen Stadtgespräch.

Die regierenden Islamisten sind nicht bereit, die politische Verantwortung für die Gewaltexzesse der Polizei zu übernehmen. Sie schieben den Schwarzen Peter der Opposition zu, die zum 2. Jahrestag des Beginn des Aufstandes gegen Präsident Hosni Mubarak am 25. Jänner zu Protesten aufgerufen hatte. Die Oppositionellen um Nobelpreisträger Mohamed ElBaradei hatten die Demonstranten zwar gebeten, sich friedlich zu verhalten. Doch ihr Einfluss auf die gewaltbereiten Jugendlichen ist letztlich begrenzt.

"Im Polizeiapparat ist schon Einiges besser geworden, aber es gibt immer noch falsches Verhalten, das seinen Grund in der alten politischen Sicherheitsmentalität hat", sagt Ahmed Aref, ein Sprecher der Muslimbruderschaft. Der Islamist sieht die Verantwortung für die jüngsten Krawalle nicht bei Präsident Mohammed Mursi, der bis zu seinem Amtsantritt Mitglied der Muslimbruderschaft war. Er sagt: "Schuld tragen bewaffnete Banden, deren Auftreten ist untypisch für das ägyptische Volk, doch es gibt sie jetzt und die Sicherheitskräfte müssen mit Härte gegen sie vorgehen." Die linken und liberalen Oppositionsparteien sehen das anders. Sie haben Mursi zum Rücktritt aufgefordert und zur Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit aufgerufen.

Doch davon wollen die Islamisten nichts wissen. Sie suchen zwar den Dialog mit der Opposition, damit wieder Ruhe auf den Straßen und Plätzen des Landes einkehrt. Eine Beteiligung ihrer Kritiker an der Macht lehnen sie jedoch ab. "Es gibt keine Alternative zu einem Dialog zwischen Regierung und Opposition", betont Muslimbruder Aref. Denn die Islamisten wissen, gesellschaftlichen Frieden und politische Stabilität braucht Ägypten dringend, wenn es verschreckte Investoren und Touristen zurückzugewinnen und Kredite zu halbwegs anständigen Konditionen erhalten will.

Doch viele Ägypter sind verärgert über den Führungsstil der Muslimbrüder. Sie werfen ihnen vor, ihr politisches Programm sei in Wirklichkeit nur ein Plan, um möglichst viele Angehörige aus dem eigenen Lager mit Posten im Staatsapparat zu versorgen.

Dennoch ist nicht gesichert, dass die Opposition bei den für April oder Mai geplanten Parlamentswahlen aufholen wird. Denn die Islamisten profitieren von dem bisweilen chaotischen Gebaren der Opposition. Als einige Oppositionelle kürzlich laut über einen Boykott der Parlamentswahl nachdachten, stöhnten viele liberale Ägypter über "diese unfähige Opposition".

Ziad Akl kommt diese Woche in einem Kommentar für die ägyptische Zeitung "Daily News" zu dem Schluss: "Die Gewalt auf der Straße und die Demonstrationen entziehen sich der Kontrolle aller politischen Kräfte. Sie (die Gewalt) ist eine direkte Antwort darauf, wie geschlossen dieses System ist und wie sehr es sich einem radikalen Wandel widersetzt." Wenn er Recht haben sollte, dann wird es auch in den nächsten Monaten wieder Unruhen geben. Von einem Bürgerkriegsszenario ist Ägypten jedoch immer noch weit entfernt.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.

Ägypten: Unruhen in Kairo