Silvio Berlusconi ist gestorben

Öffentlicher Sünder und Verbündeter der Kirche

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Der italienische Ex-Premier Silvio Berlusconi ist am Montag im Alter von 86 Jahren gestorben. Drei Jahrzehnte lang prägte Berlusconi Italiens Politik mit, feierte noch hochbetagt Triumphe.

Als Unternehmer wurde der gebürtige Mailänder zum Milliardär. Sein Privatleben kam in die Schlagzeilen, er selbst oft vor Gericht. Für die Kirche war er ein politischer Verbündeter.

Zehn Orden hat Berlusconi als Unternehmer und Politiker erhalten; den letzten verlieh ihm Papst Benedikt XVI. (2005-2013) am 11. Juli 2006. Neben anderen italienischen Politikern wurde Berlusconi das "Große Kreuz" des Heiligen Stuhls zugesprochen. Im selben Jahr hatte er die Vollendung einer kompletten Legislaturperiode von fünf Jahren geschafft - etwas, was vor ihm keinem Regierungschef Italiens seit dem Zweiten Weltkrieg gelungen war. Die nächste Wahl verlor er dann. 2013 kam er ein letztes Mal als Ministerpräsident an die Macht - und hielt sich immerhin drei Jahre.

Ursache für seine politischen Erfolge

Eine Ursache für seine politischen Erfolge war die chronische Zerstrittenheit der italienischen Linken auf der einen Seite und sein Talent zum Schmieden ungewöhnlicher Mitte-Rechts-Bündnisse auf der anderen. Eine weitere Ursache für Berlusconis Erfolg war seine lautlose, aber effiziente Allianz mit der einflussreichen katholischen Kirche.

Seit 1945 hatten die Bischöfe zunächst die (rein katholische) Partei der italienischen Christdemokraten unterstützt, die über Jahrzehnte als Regierungspartei gesetzt waren. Aber seit sich die "Democrazia Cristiana" Anfang der 1990er-Jahre in mehrere Flügel zerlegt und dann aufgelöst hatte, brauchte die Kirche einen neuen Alliierten. Der strategisch denkende römische Kardinal Camillo Ruini, von 1991 bis 2007 Vorsitzender der Bischofskonferenz, fand ihn 1994 im politischen Senkrechtstarter Berlusconi.

Nicht gerade ein Vorzeige-Katholik 

Zwar war der seit seiner ersten Scheidung und der bloß zivil geschlossenen Ehe mit der Schauspielerin Veronica Lario nicht gerade ein Vorzeige-Katholik. Der Kontrast zum frommen christdemokratischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti hätte größer kaum sein können. Doch Berlusconi suchte gleich nach seinem ersten Wahlerfolg im Mai 1994 den Kontakt zur Kirche. Den damals in der Gemelli-Klinik liegenden Papst Johannes Paul II. (1978-2005) besuchte der frisch gekürte Ministerpräsident am Krankenbett und sprach fast eine Stunde mit ihm.

Politisch setzte er sich für die Verteidigung gesellschaftlicher Normen ein, die auch der Kirche am Herzen lagen. Auf sozialpolitischem Gebiet führte er eine Mindestpension ein und verschaffte damit Millionen Schwarzarbeitern, die in dramatischer Altersarmut lebten, eine menschenwürdige Mindestsicherung.

Themen wie Leihmutterschaft und aktive Sterbehilfe

In der Familien- und Gesellschaftspolitik waren die großen Schlachten um die straffreie Abtreibung und das Scheidungsrecht längst abgehakt. In der Ära Berlusconi ging es um Themen wie Leihmutterschaft und aktive Sterbehilfe, aber auch um die gleichgeschlechtliche Ehe. Auf diesen Politikfeldern legte sich Berlusconi in Italien und der EU auf einen Kurs fest, mit dem die Kirche leben konnte: Einführung der eingetragenen Partnerschaft ja, aber keine "Ehe für alle"; künstliche Befruchtung nur innerhalb einer bestehenden Ehe; Sterbehilfe nur passiv.

Im Gegenzug verzichteten die Bischöfe darauf, erotische Eskapaden Berlusconis oder seine Schwierigkeiten mit dem Gesetz wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung, Bestechung oder angeblicher Förderung der Prostitution lautstark zu kommentieren. Die unausgesprochene Allianz Berlusconi-Ruini trug dazu bei, dass Italien bis heute auf dem Gebiet von Familienpolitik und Bioethik zu den konservativeren EU-Ländern gehört. Die derzeitige Regierungschefin Giorgia Meloni, mit der Berlusconi im Oktober 2022 als Juniorpartner eine Koalitionsregierung bildete, hat diesen Kurs fortgesetzt und sich ebenfalls kirchen- und papsttreu positioniert.

Proeuropäischer Kurs

In dem von Meloni geführten rechten Parteienbündnis versuchte sich Berlusconi als Garant eines liberal-konservativen und proeuropäischen Kurses zu inszenieren. Das war auch seine Linie im EU-Parlament, dem er von 2019 bis 2022 als Mitglied der EVP-Fraktion angehörte.

Sein größter persönlicher Triumph in der Spätphase seines politischen Lebens war die aus eigener Kraft gelungene Wahl in den italienischen Senat, dem er seit Oktober angehörte. Eine mehrjährige Sperre für politische Ämter nach seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs 2013 war bereits 2019 abgelaufen.

Stark von Alter und Krankheit gezeichneter Berlusconi 

Auch vor Gericht hatte der trotz Schönheitschirurgie stark von Alter und Krankheit gezeichnete Berlusconi in seinem letzten Lebensabschnitt noch einmal Erfolg: In der "Bunga-Bunga-Affäre" wurde er im Februar in letzter Instanz nach einem insgesamt zehn Jahre dauernden Verfahren vom Vorwurf der Förderung von Prostitution freigesprochen. Es sei nichts dergleichen geschehen, urteilte Italiens Oberstes Gericht. Berlusconi, der zeitlebens von Verfolgung seiner Person durch linke Medien und Staatsanwälte gesprochen hatte, nahm das Urteil mit großer Genugtuung zur Kenntnis.

Die letzten Monate seines Lebens waren geprägt durch schwere gesundheitliche Probleme und immer neue Einlieferungen in die Spezialklinik San Raffaele nahe Mailand. Seine politischen Verbündeten, aber auch manche Gegner, ließen ihm Genesungswünsche zukommen. Der wichtigste Vertreter von Forza Italia in der Regierung Meloni, Außenminister Antonio Tajani, übernahm in diesen Monaten faktisch die Führung der Berlusconi-Partei.

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